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> Arbeitsgebiete > Archäologie > Archäologie LVR-ABR > Tag der Archäologie > 2018-1 - Garzweiler


Samstag, 02.06.2018 - Titz-Höllen
Tag der Archäologie des LVR


Am Samstag, 2. Juni 2018, fand zum 25. Mal in der Außenstelle Titz des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland der "Tag der Archäologie" statt. Wie jedes Jahr wurden interessante Funde der Archäologie aus dem rheinischen Braunkohlenrevier präsentiert. Mitveranstalter ist die Stiftung zur Förderung der Archäologie im rheinischen Braunkohlenrevier, die das Programm maßgeblich finanziell unterstützt.

Zu den zahlreichen Attraktionen beim "Tag der Archäologie" gehörten wieder die Fahrten zu einer laufenden Ausgrabung im Tagebaugebiet.
Auf dem Gelände der LVR-Außenstelle in Titz-Höllen wurden aktuelle Funde und Forschungen präsentiert. Außerdem lockten viele Vorführungen und Mitmachaktionen.

Das Ausstellungsplakat zum "Tag der Archäologie 2018" zeigt eine Auswahl der Glasgefäße, die bei einer Grabung in Inden-Pier in einer Beigabennische gefunden wurden. Sie zeugen von der hohen Kunstfertigkeit der römischen Glasbläser, insbesondere der Faltenbecher mit feiner Fadenverzierung sowie der filigran gearbeitete Krug.

Die Glasbeigaben waren als "Fund des Monats März 2018" im LVR-Landes- Museum Bonn zu sehen. Weitere Informationen lesen Sie hier > mehr

Teil 1 - Grabung im Vorfeld des Tagebaus Garzweiler

Zu den zahlreichen Attraktionen beim "Tag der Archäologie" gehörte die Busfahrt ins Vorfeld des Tagebaus Garzweiler. Diese führte zu der Ausgrabungsstelle einer jungsteinlichen Siedlung.
Ein Team der Universität Köln präsentierte Reste einer Siedlung aus der Zeit der ersten Bauern im Rheinland. Die Fachleute des LANU-Projektes führten geophysikalische Prospektionsmethoden vor, mit denen – lange vor der Grabung – die Siedlung überhaupt entdeckt wurde.


Die jungsteinzeitliche Siedlung von Borschemich, Flur Schwarzenberg

Die Siedlung auf einem Höhenzug bei Borschemich wurde vor über 7000 Jahre errichtet. Es ist die Zeit der ersten Bauern in Mitteleuropa. Die Menschen besiedelten die fruchtbaren Lössböden der Jülicher Börde, um dort Getreide anzubauen und Vieh zu halten.

Bereits 2013 und 2017 wurde bei der geomagnetischen Prospektion festgestellt, dass die Siedlung aus mindestens vier Langhäusern und einem Grabenwerk bestand. Von November 2017 bis Ende März wurde 1 ha der Siedlung untersucht, die insgesamt über 3 ha groß ist. Durch die Grabungen konnten insgesamt 6 Langhäuser nachgewiesen werden, die bis zu 32 m lang und bis zu 7,5 m breit waren. Es konnten hierbei zahlreiche Funde geborgen werden, darunter vor allem Keramik und Steinwerkzeuge.

Jürgen Weiner, inzwischen pensioniert, war lange in der Außenstelle des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege des LVR im ehemaligen Stiftshof in Wollersheim tätig. Bei seinen Ausführungen über die Jungsteinzeit konnte man deutlich spüren, wie spannend für ihn die Archäologie immer noch ist. Dabei sei das Rheinland, so führte er aus, eine der archäologisch interessantesten und bedeutendsten Regionen Europas. Besonders in der fruchtbaren Lösslandschaft zwischen Köln und Aachen befänden sich immer noch zahlreiche unbekannte Fundstellen aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte.

Jürgen Weiner, inzwischen pensionierter, hoch angesehener Fachmann für die Jungsteinzeit, begeisterte die Besucher mit seinen eloquenten Ausführungen.

Lange war die Fachwelt der Ansicht, die Menschen in der Jungsteinzeit hätten ihr Trinkwasser aus Flüssen oder Seen entnommen. Weiners Untersuchungen ließen dagegen nur einen Schluss zu: Die damalige Wasserversorgung wurde über den Bau von Brunnen sichergestellt.
Ein Meilenstein in seinem wissenschaftlichen Wirken war die Entdeckung eines ca. 13 Meter tiefen Brunnens aus der so genannten „bandkeramischen“ Zeit um 5100 v. Chr. bei Erkelenz-Kückhoven. Nach fast vierjähriger Grabung wurden nicht nur die alten Brunnenteile in Form von relativ gut erhaltenen Holzbalken, sondern auch Keramik und Steingeräte sowie organische Reste entdeckt. Dieser Fund war in Fachkreisen eine Sensation. Durch Radiocarbon-Messungen und dendrochronologische Untersuchungen der Holzproben an den Universitäten Heidelberg und Köln wurde das genaue Alter der Eichenbalken und die Zeit des Fällens der Bäume festgestellt: im Winter 5090 v. Chr. Dabei hatten die Bäume einen Durchmesser von bis zu 1,20 Meter und waren mit Steinbeilen gefällt und bearbeitet worden. Es handelte sich eindeutig um Spuren einer Siedlung der ersten Ackerbauern Mitteleuropas und damit des Rheinlands.

zu den Übersichten
> Tag der Archäologie
> Archäologie im LVR
> Archäologie im HVW
> Veranstaltungen

Lesen Sie auch den
> 2. Teil des Fotoberichts:
Ausstellung von Funden und Befunden aus mehreren Grabungen auf dem Gelände der Außenstelle Titz-Höllen

Jürgen Weiner präsentierte auch eine Pfeilspitze aus einer umfangreichen Sammlung.

Karina Schnakenberg, Studierende an der Universität zu Köln, gab Erläuterungen zu den Siedlungsformen und zum Leben und Arbeiten der Menschen in der frühen Jungsteinzeit.

Als Anfang des 53. Jh. v. Chr. die ersten Bauern ins Rheinland kamen, brachten sie nicht nur eine neue Wirtschaftsweise mit, sondern auch eine sesshafte Lebensweise und damit die Anlage dauerhafter Siedlungen. Eine dieser Siedlungen ist Borschemich. Diese Ortsgebundenheit unterschied sie von den mobil lebenden Jäger- und Sammlergesellschaften der vorangehenden Alt- und Mittelsteinzeit. Dabei griffen die frühen Bauern deutlicher als zuvor in die Umwelt ein. Unter anderem schufen sie Lichtungen in den damals noch dichten Wäldern.
Die Siedlungen konnten aus bis zu 10 gleichzeitig genutzten Häusern bestehen mit einer geschätzten Einwohnerzahl von unter 200. Einige der größeren Siedlungen existierten bis zu 350 Jahre lang.
Die Häuser der ersten Bauern waren langrechteckig und wurden auf parallelen Pfostenreihen errichtet. Diese Häuser konnten auch in Borschemich dokumentiert werden. Die Außenwände bestanden aus Flechtwerk, das mit Lehmbewurf verschlossen wurde. Wie die Häuser innen gestaltet waren oder wie das Dach aussah, konnte nicht ermittelt werden. Lediglich die unteren Reste der Holzpfosten bzw. Pfostenlöcher, die als Verfärbungen im Boden sichtbar sind, konnten gefunden werden.

Neben Ackerbau und Viehhaltung spielte die Versorgung mit Trink- und Nutzwasser eine zentrale Rolle: Diese erfolgte u.a. durch die Anlage von Brunnen in der Siedlung. So konnten bei Grabungen in anderen jungsteinzeitlichen Siedlungen, z.B. Erkelenz-Kückhoven, Brunnenschächte von teils beträchtlichem Ausmaß nachgewiesen werden.

Franziska Schmid, BA am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln, erläuterte die Grabungen.

Eine detaillierte Erklärung zur geomagnetischen Prospektion finden
Sie hier:
> Fotobericht über den Tag der Archäologie 2017 - Teil 1

Marc Zühlsdorf, Studierender an der Universität zu Köln, erläuterte die Methoden der Geomagnetik und informierte über den Zweck von Erdwerken.

rechts im Bild: ein 5-Sonden-Gradiometer ...

... zur Erstellung eines Magnetogramms

Desiree Maier, Studierende an der Universität zu Köln, mit interessierten Besuchern

Janine Traber, Studierende an der Universität zu Köln, schien mit der Freilegung einer Fundstelle zufrieden zu sein.

Malik Belaredj, SHK am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln, gab Auskünfte über die Keramik in der Jungsteinzeit.

Restauriertes Gefäß aus einem Grab der bandkeramischen Fundstelle Merzenich-Morschenich (Tagebau Hambach)

Flasche aus Grobkeramik aus der bandkeramischen Siedlung Königshoven I (Tagebau Garzweiler)

Keramikgefäße traten in Mitteleuropa erstmals mit Beginn der Jungsteinzeit auf. Sie dienten u.a. als Vorratsbehälter und Kochgefäße. Die ersten Bauern stellten einfache Formen, wie Schüsseln, Kümpfe oder Flaschen her. Der gebrannte Ton war sehr widerstandfähig, sodass die Reste dieser Gefäße bis heute erhalten geblieben sind.

Ein Teil der Gefäße wurde verziert. In der frühen Jungsteinzeit, in der auch die Siedlung von Borschemich errichtet wurde, verzierten die Menschen die Gefäße mit linearen Mustern. Daher wird diese auch als Linearbandkeramik bezeichnet. Da sich die Verzierungsmuster im Laufe der Zeit veränderten, ist es möglich, die Scherben zeitlich genauer einzuordnen. Die ältesten jungsteinzeitlichen Gefäße sind z.B. mit Ritzlinien verziert, die jüngeren häufig mit mit Einstichen. Auf dieser Basis können auch die Häuser genauer datiert werden.

Damit die Besucher einen besseren Überblick über das Grabungsgelände gewinnen konnten, war ein Hügel aufgeschüttet worden.

Von dort aus konnte Maga Moshinska die Funktion und Wirkungsweise der Laser-Vermessung demonstrieren.

Die Besucher der Grabungen ....

... konnten im sicheren Abstand zur Abbaukante ...

... einen Blick in den Tagebau ...

.. und auf die Bagger werfen.

An einem Info-Stand von RWE gab es Erläuterungen zum Tagebau.
Hierbei zeigte RWE ein beeindruckendes Luftfoto vom Autobahnkreuz Holz mit Blick in den Tagebau.


Quellen:

  • Pressemitteilungen des LVR-ABR vom 29. Mai 2018:

"Spannende Ausgrabungen im rheinischen Braunkohlenrevier - Tag der Archäologie zum 25. Mal mit Fahrten zu einer Ausgrabung und einem buntem Programm"


sowie die vor Ort gezeigten Infotafeln des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln:

  • Steckbrief: Die jungsteinzeitliche Siedlung von Borschemich, Flur Schwarzenberg

  • Die Jungsteinzeit in Mitteleuropa - die Anfänge der Landwirtschaft

  • Haus und Siedlung I und II

  • Geomagnetik als Grundlage einer archäologischen Ausgrabung

  • Erdwerke - gewaltige Verteidigungsanlagen oder zweckmäßige Viehpferche?

  • Keramik in der Jungsteinzeit


Fotos, falls nicht anders angegeben: Hermann-Josef Heinen

Die Ausstellung der Funde und Befunde aus aktuellen Grabungen sowie die Präsentation von neuen Forschungsergebnissen auf dem Gelände der LVR-Außenstelle Titz können Sie im 2. Teil des Fotoberichts sehen.

> weiter zum 2. Teil

Historischer Verein Wegberg e.V. - 02.06.2018 - letzte Änderung: 20.07.2018

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