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BERKER

NOTIZEN
Eine Laune der Natur - Haareis - Neue Erkenntnisse
- Ein Update zu den Berker Notizen vom 07.02.2023

Anfang Februar 2023 machte Gertrud Grins bei einem Spaziergang am Aldeberg eine merkwürdige Entdeckung. Die Fotos, die ihr Mann Dieter gemacht hatte, schickte sie mir und ich berichtete am 07.02. in den Berker Notizen unter Eine Laune der Natur.

Gertrud Grins hat sich inzwischen mir diesem Naturphänomen beschäftigt und berichtet über neue Erkenntnisse. Ihr Mann Dieter steuert drei weitere Fotos bei.


Haareis – ein Naturphänomen
 
Gertrud Grins


Um es vorweg zu sagen, Haareis ist keine neue Sorte Eiscreme. Haareis ist ein selten zu beobachtendes  Naturphänomen, das Alfred Wegener 1918 entdeckte und beschrieb. Die Erforschung dieser ungewöhnlichen Form des Eises ließ aber auf sich warten. 2015 erschien in der Zeitschrift GEO ein Artikel mit dem Titel:
Rätsel um Haareis-Bildung auf totem Holz gelöst.
 
Den Bericht las ich leider nicht. Mir war Haareis völlig fremd.

Das änderte sich im Januar 2023 an einem schneelosen Wintertag. Mein Mann und ich umrundeten morgens bei leichtem Frost auf einem Trampelpfad den Alde Berg in Wegberg-Arsbeck. Wir stutzten. Auf einem toten Ast leuchteten uns weiße, pilzartige Gebilde entgegen. Die waren uns am Vortag noch nicht aufgefallen. Wir vermuteten eine uns unbekannte Art von schnell wachsenden Winterpilzen. Darüber wollten wir Genaueres wissen. Also machte ich zunächst einmal einige Handy-Fotos davon. Die schickte ich einer pilzkundigen Freundin.
Von der kam die Meldung: "Das könnte Haareis sein."


Inzwischen sind wir sicher: Es war Haareis. Wir haben es bei gleichen Wetterbedingungen an weiteren sechs Vormittagen bei unseren Rundgängen gefunden. Wie beim Pilze sammeln war inzwischen unser Blick geschärft. Bald stellten wir fest, es lohnt sich nur in dem Bereich Ausschau zu halten, wo der Boden feucht und abgestorbene Äste im Laub liegen.


Die Fotos können zum Vergrößern angeklickt werden.
Sie zeigen die Schönheit der filigranen, bizarren, leicht vergänglichen Gebilde, die zurecht auch als Eiswolle bezeichnet werden.

Warum findet man Haareis selten?
 
Weil es zur Bildung spezieller Bedingungen bedarf. Es entsteht, wenn
  • die Außentemperatur kurz unter dem Gefrierpunkt liegt;
  • das Totholz in den Mischwäldern feucht und windgeschützt ist;
  • das Wasser im Holz selbst nicht gefroren sondern noch flüssig ist;
  • sich im Holz ein spezieller Pilz, der Exidiopsis Effusa, angesiedelt hat;
  • der Zersetzungsprozess im Holz noch aktiv stattfindet.
 
Was ist zu beobachten?

  • Aus den Holzporen (Holzstrahlen) tritt molekulares Wasser aus, das an der Luft erstarrt.
  • Die Eisnadeln sind ca. 0,02 mm dick (dünner als Menschenhaar)
  • Sie wachsen 5 bis 10 mm in der Stunde
  • Sie werden zwischen 30 und 100 mm lang
 
Wie ist das zu erklären?
 
Die Zellwände des Holzes bestehen aus Zellulose, Hemizellusose und Lignin. Beim Zersetzungsprozess werden die Zellwände abgebaut. Es entsteht Kohlendioxidgas. Daran ist der Exidiopsiseffusa Pilz beteiligt. Er schützt sich davor selbst einzufrieren, indem er das Wasser im toten Holz nach außen drängt. Dabei unterstützt ihn das Kohlendioxid. Pilz und Gas drücken die Wassermoleküle Richtung Borke. Wo sie gerissen ist oder fehlt, treten die Wasserteilchen an die Oberfläche und gefrieren. Das Lignin steuert die erforderlichen Kristallisationskeime bei. Solange in den abgestorbenen Ästen freies Wasser vorhanden ist, wird es nach außen geschoben und die Eishaare wachsen. Sobald die Temperatur steigt, schmelzen sie schnell wieder dahin.

Sie kennen wahrscheinlich das Gedicht „Gefunden“ von J.W. Goethe:
Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn.
 
So erging es uns, als wir durch den naturbelassenen Mischwald unserer Heimat unterwegs waren. Wir fanden im Winter kein Blümlein im Schatten steh‘n sondern Haareis von bezaubernder Schönheit.


 
Quellenangabe:
1. Spektrum der Wissenschaft, 2014 Nr. 1, Blüten und Bänder aus Eis von James Carter
2. Spektrum der Wissenschaft, 06.12.2022, Die faszinierende Physik von Haareis von Hans-Joachim Schlichting
3. Zeitschrift GEO, 29.12.2022, EXIDIOPSIS EFFUSA, Seltenes Naturschauspiel: So entsteht haariges Eis von Solvejg Hoffmann

Historischer Verein Wegberg e.V. - 28.03.2023 - Letzte Änderung: 30.03.2023

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