Historischer Verein Wegberg e.V.

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Geschichte der Gemeinde Wegberg

- I. Weltliche Verwaltung


Auszug aus: Adolf Vollmer (1912) Geschichte der Gemeinde Wegberg, S. 17 ff.
Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit und im Besonderen zur Wiedergabe auf mobilen Endgeräten wurden an einigen wenigen Stellen Änderungen in der Darstellung vorgenommen. Die Hervorhebungen zum besseren Auffinden von Namen und Daten befinden sich nicht im Original.


1. Älteste Zeit.

Vor Beginn unserer Zeitrechnung war die ganze hiesige Gegend von dichten Wäldern bedeckt und wohl kaum besiedelt. 60–50 Jahre vor Christus wurde das Land von den Römern erobert. Die Gegend war Grenzland zwischen den alten germanischen Volksstämmen der Ubier und Tungerer mit den Hauptstädten Colonia Agrippina, dem heutigen Cöln und Tungeren (Tongeren). Die römische Herrschaft wird hier aber wegen der großen Wälder eine größere Bedeutung nicht gehabt haben, wie dann auch nur vereinzelt römische Funde gemacht worden sind.

Nach J. Schneider (Zeitschrift des Aachener Geschichts-Vereins Bd. XI S. 67, XII S. 153 und XIV S. 16 ff.) führte eine Römerstraße von Roermond, Vlodrop über Arsbeck, Klinkum nach Wegberg, von dort, der jetzigen Landstraße folgend nach Beeck und weiter zum Rhein. Eine weitere Straße führte von Brüggen über Niederkrüchten, Arsbeck nach Golkrath.

Es wäre nicht unmöglich, daß auch die von Wegberg durch den Wegberger Busch nach Niederkrüchten führende alte Heerstraße, die sog. „Kahrbahn“ römischen Ursprungs ist. Vor einigen Jahren soll an derselben ein Ackerer auf seinem Grundstück im Wegberger Busch beim Graben auf ein größeres Tongefäß gestoßen sein, das hierbei zertrümmert wurde. Leider ist der Fund nicht näher untersucht und sind auch Nachgrabungen nicht weiter angestellt worden. In Nieder- bezw. Oberkrüchten, wohin dieser Weg in gerader Richtung führt, wurden dagegen zahlreiche römische Funde (Münzen, kupferne Ringe und Scherben von römischen Töpfen) gefunden. Die Kahrbahn steht auch in Verbindung mit der zwischen Niederkrüchten und Merbeck verlaufenden Landwehr und der an dieser liegenden Schanze.

Ob der an der Kopfseite des nördlichen Seitenschiffs der Kirche zu Wegberg (s. das.) eingemauerte römische Matronenstein aus hiesiger Gegend stammt, ist nicht bekannt. Vermutlich ist er bei der Erbauung der Kirche gefunden und mit eingemauert worden.


2. Mittelalter.

Eine größere Bedeutung erlangte die Gegend erst in der fränkischen Zeit.
Als die Franken im 5. Jahrhundert in die hiesige Gegend vorgedrungen waren, bildeten um 500 die ripuarischen Franken ein Reich mit der Hauptstadt Cöln, das sich von Eifel und Westerwald zu beiden Seiten des Rheins bis an den Zuidersee und die Maas erstreckte. Im nahegelegenen Elmpt wurden vielfach fränkische Töpfereien gefunden. Bei der Teilung des Karolingischen Reiches kam das Land nach mehreren Teilungen zuletzt im Vertrag zu Mersen 870 an das ostfränkische Reich (Deutschland). Um diese Zeit muß die Rodung der Wälder bereits weiter fortgeschritten sein, sodaß schon größere Güter bestanden. So wird schon um 900 Richolferod – das heutige Rickelrath – genannt. Der Bezirk der Gemeinde gehörte zum Mühlgau des Herzogtums Hasbanien und zur Diözese Lüttich, Dekanat Wassenberg.

Unter dem Einfluß des Lehenswesens bildeten sich überall viele unabhängige Fürstentümer, so u. a. auch das Herzogtum Jülich und die Grafschaft – später Herzogtum – Geldern, früher auch Gelre benannt, dessen erster Graf 1094 genannt wird. Die Burg zu Wassenberg ist die Wiege des später so mächtigen Geschlechtes von Geldern, welches den Wahlspruch führte:
»Hoeg van moed.
Klein van goed,
Een Zwaard in de Hand
Ist Wapen van Gelderland.«

In dem Werk Clemen-Renard: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz S. 2 ff. heißt es mit Bezug auf die hiesige Gegend: „Es handelt sich um ein Grenzland, im Mittelalter die Reibungsfläche verschiedener schnell emporstrebender Territorialherren, jahrhundertelang beunruhigt durch Kämpfe, verwirrt durch wechselnde Belehnungen, Verkäufe, Verpfändungen“.

Die Geschichte der Gemeinde Wegberg ist auf's Engste verknüpft mit der der Herzogtümer Geldern und Jülich, deren Grenzen sich mitten im Orte Wegberg berührten.
Nach dem Rentenverzeichnis von 1711 (Pfarrarchiv).

Zu G e l d e r n, Oberquartier Roermond gehörte
1. Der links der Schwalm und des Gerichhauser Baches gelegene Teil des Ortes Wegberg: 52 Familien
2. Großgerichhausen: 7 Familien
3. Uevekoven: 29 Familien
4. Brunbeck und Broich: 13 Familien
5. Watern: 13 Familien
6. Klinkum: 66 Familien
7. Harbeck, Hau: 40 Familien
8. Rickelrath mit Holt- und Schrofmühle: 37 Familien

Zu J ü l i c h, Amt Wassenberg, Unterherrschaft Herrlichkeit Tüschenbroich gehörte:
1. der rechts der obengenannten Bäche gelegene Teil des Ortes Wegberg mit der Pfarrkirche = 23 Familien
2. Dorp = 4 Familien
3. Geneiken = Es fehlen Angaben
4. Genfeld = Es fehlen Angaben
5. Tüschenbroich mit Brühl = 44 Familien
6. Die Vogtei St. Petersholz, war unbewohnt


3. Geldrischer Anteil.

Als 1371 in dem Kampfe zwischen Geldern und Heinsberg gegen die Brabanter Eduard von Geldern fiel, starb der nassauische Herzogstamm von Geldern in der Manneslinie aus.

Nunmehr machten zwei Erbtöchter auf die Nachfolge Anspruch, bis Wilhelm von Jülich, der Sohn Marias von Geldern endlich 1379 den Sieg davontrug und so Geldern mit Jülich vereinigte. 1423 starb die neue Linie jedoch mit Wilhelms Bruder und Nachfolger Reinhold IV. im Mannesstamme aus. Jülich fiel an den Herzog Adolf von Berg, der auch vom Kaiser die Belehnung mit Geldern erhielt. Dementgegen wählten aber die Ritterschaft und die Städte Gelderlands Arnold von Egmont, den Enkel der Schwester Reinholds zum Herzog. Zwischen den beiden Prätendenten kam es jetzt wegen des Besitzes von Geldern zum Streit. In der Entscheidungsschlacht bei Linnich 1444 siegte Jülich, konnte aber trotzdem nicht in den tatsächlichen Besitz von Geldern kommen.

Nach Enterbung seines aufrührerischen Sohnes Adolf verkaufte Arnold von Egmont 1472 Geldern an Karl den Kühnen von Burgund. Nach Arnolds Tode und dem Tode Karls des Kühnen in der Schlacht bei Nancy 1474 hatte jedoch das burgundische Haus große Mühe, das Land zu behaupten.

An dem wechselnden Kampf zwischen dem Hause Habsburg als dem Erben Karls des Kühnen und dem Grafen von Egmont war auch das Gebiet der Gemeinde auf's lebhafteste beteiligt. Der siegreiche deutsche Kaiser und König von Spanien Karl V. vereinigte Geldern 1543 nach harten Kämpfen, in welchen Langerwehe, Hambach, Nideggen, Düren, Jülich, Bergheim, Caster, Randerath, Süsteren, Gangelt, Heinsberg und andere Orte von den Kaiserlichen Truppen eingenommen und teilweise zerstört wurden, mit den spanischen Niederlanden. Das Bestreben dieses Kaisers, die einzelnen Provinzen der Niederlande zu einem mächtigen Staate zu vereinigen, wurde durch den aus der Reformation hervorgegangenen Zwiespalt vereitelt. Ob die Bilderstürme auch auf das hiesige Gebiet übergriffen, läßt sich hier nicht nachweisen, jedenfalls blieben die Bewohner dem katholischen Glauben treu.

Die Nachbargemeinde und Pfarre Schwanenberg trat um die Mitte des 16. Jahrhunderts, vermutlich 1557 mit ihrem damaligen Pfarrer zu dem neuen Glauben über, wahrscheinlich von ihrem Unterherrn, dem Reichsgrafen Quadt zu Wickrath dazu veranlaßt. So erklärt es sich auch, daß neben den rein katholischen Ortschaften der Gemeinde die Orte Genfeld und Geneiken, welche zur obenerwähnten Pfarre gehörten, fast nur von evangelischen Einwohnern bewohnt sind.

Die kurze Herrschaft der im Aufstande begriffenen Generalstaaten von 1578 bis zur Wiedererrichtung der spanischen Herrschaft 1587, wobei die ersteren sich am 26. Juli 1581 förmlich von Spanien losgesagt hatten, brachte unserem Gebiete wieder schlimme Verwüstungen. Der andauernde Kampf der Generalstaaten zog im 30jährigen Kriege (1618–1648) die Hessen und Weimaraner in das Oberquartier Geldern.
(Clemen-Renard D. K. d. Rh. S. 4).

Nach dem Erlöschen der spanischen Linie des Hauses Habsburg (1700) und nach dem spanischen Erbfolgekrieg 1701–1713 kam das geldrische Gebiet durch den Frieden von Utrecht in den Besitz der kaiserlichen österreichischen Linie, was durch Spanien erst im Jahre 1735 anerkannt wurde.

Noch heute werden die im ehemaligen geldrischen Teile der Gemeinde Wohnenden von den Bewohnern des andern Teiles die Spanier genannt.

Die einstigen Gegensätze zeigen sich auch heute noch bei Gelegenheit des Martinsfestes bei den Kindern, welche das für das Martinsfeuer zusammengeholte Holz für den ehemalig geldrischen und jülich'schen Teil Wegbergs getrennt aufstapeln und dann häufig erbitterte Kämpfe um dasselbe ausführen, wobei sie sich gegenseitig als Spanier und Jülicher bezeichnen.

Im französischen Revolutionskriege eroberten die Franzosen 1795 das Land, denen es durch den Luneviller Frieden 1801 zufiel. Es wurde dem Kanton Niederkrüchten, Departement der Untermaas zugeteilt.


4. Jülicher Anteil.

Die Entwicklung des jülicher Anteiles wird sich etwas ruhiger gestaltet haben, wenn auch bei der Nähe der Grenze die geldrischen Streitigkeiten vermutlich häufig auf dieses Gebiet übergriffen.

Ursprünglich gehörte Wegberg (Jülich) zum Heinsberger Ländchen und zwar zum Amte Wassenberg, Unterherrschaft Herrlichkeit Tüschenbroich, welches 1484 durch Erbschaft und Kauf in den Besitz von Jülich kam. Im Jahre 1521 kam Jülich infolge Heirat der Erbtochter Maria an Johann den Friedfertigen, Herzog von Cleve. Nach dem Aussterben des cleveschen Fürstenhauses mit Herzog Johann Wilhelm im Jahre 1609 begann der sog. Jülich-Clevesche Erbfolgestreit zwischen Sachsen, Brandenburg und Pfalz-Neuburg. Am 12. November 1614 kam es zum Vergleich von Xanten, durch welchen Jülich an Pfalz-Neuburg fiel. 1742 kam es nach dem Aussterben dieses Hauses an die Pfalz-Sulzbachische, nachmals kurbayrische Linie.

Durch den Luneviller Frieden fiel Wegberg (Jülich) 1798 an Frankreich und es wurde dem Kanton Erkelenz im Roer-Departement zugeteilt, sodaß die Bäche in Wegberg auch in französischer Zeit wiederum die Grenze zwischen dem Roer- und dem Untermaas-Departement bildeten, bis nach den Befreiungskriegen durch den Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 die beiden Gemeinden Wegberg von Frankreich wieder losgelöst, infolge des Wiener Vertrages von 1815 an Preußen fielen und hiermit die verschiedenen Teile gemäß allerhöchstem Patent vom 5. April 1815 unter eine gemeinsame Staatshoheit (Preußen) kamen. Beide Gemeinden Wegberg wurden bei erfolgter Abgrenzung der Verwaltungsbezirke im Jahre 1816 der Provinz Großherzogtum Niederrhein, Kreis Erkelenz zugeteilt, welche Provinz später in der Rheinprovinz aufging.


5. Vereinigte Gemeinden.

Beide Gemeinden Wegberg hatten getrennte Verwaltung mit eigenen Bürgermeistern. Sie hielten demgemäß auch getrennte Gemeindeversammlungen (gemeintsvergaederinghe) und zwar die geldrische Gemeinde im Gerichtslokale im Schwanen (ob der Gerichtskamer in den Schwaen), dem früheren Gasthaus zum Schwanen (jetzt Kinderbewahrschule). Am 15. Juni 1768 beschloß diese Gemeinde, daß für die Folge jährlich 4 Versammlungen (ten behoeven van gemeints affairen) sollten gehalten werden und zwar an den Quatembertagen beginnend im September 1768. Die Urkunden sind in Wegberg-Geldern in niederländischer, in Wegberg-Jülich in deutscher Sprache abgefaßt.

Vor der französischen Okkupation wurde die Gemeinde-Verwaltung durch die Bürgermeister, die Scheffen (Schepenen) und die Geschworenen (Geschworens) geführt. Scheffen und Geschworene bildeten nicht nur den Rat der Bürgermeister, sondern besorgten in Gemeinschaft mit den Bürgermeistern die Amtsgeschäfte. Jedem Geschworenen als Vorsteher war ein bestimmter Teil der Gemeinde überwiesen. Die Gemeinde war in „Gehuchten“ eingeteilt, von denen Wegberg, Klinkum, Rickelrath und Uevekoven des geldrischen Anteils in der Urkunde Nr. 11 über Errichtung von Schulen erwähnt sind.

Die Scheffen waren außerdem Gehilfen und Beisitzer beim Gericht (s. Gerichtswesen). Die Bürgermeister wurden jährlich von den Einwohnern gewählt. Sie empfingen die Einkünfte der Gemeinde und verwendeten sie zur Bestreitung der Gemeindebedürfnisse.

Die französische Republik ließ nach der Okkupation zunächst in der Verwaltung der Gemeinde alles beim Alten. Die Verwaltung wurde dann jedoch in Wegberg-Geldern seit 1796, in Wegberg-Jülich seit 1798 durch Munizipal-Agenten geführt. Durch das Gesetz vom 28. Pluviose Jahres 8 (17. Febr. 1800) erhielten diese den Titel eines Maire.


6. Bürgermeister

Es fungierten

in Wegberg-Geldern:
1796 Nic. Gotzens als Munizipalagent,
1797 Bart. Clever als Munizipalagent,
1798 Laur. Dillen als Munizipalagent,
1799 Leonh. Kohlen als Munizipalagent,
1800 Gerard van Mutbracht als Maire,
1801–1805 L. Dillen zunächst als Maire-Adjunkt, dann als Maire,
1805–1.12.1812 Carl Leopold Byll, gräflich von Neßelrode'scher Rentmeister als Maire,
1.12.1812–1820 Gottfried Dillen als Maire bezw. Bürgermeister;

in Wegberg-Jülich:
1798–1800 Laur. Clever als Munizipalagent,
1800–1813 Carl Wilh. Arets als Maire-Adjunkt,
• Franz Brandts als Maire,
• Germain Josten als Maire-Adjunkt und dann als Maire,
1813–1. Oktober 1817 Joh. Schmitz als Maire bezw. Bürgermeister,
1817–Dez. 1819 Silvester Josten als Bügermeister.
Endlich wurden am 1. Januar 1820 auf Antrag der beiderseitigen Gemeinderäte die beiden Gemeinden Wegberg zu einer Bürgermeisterei und Gemeinde vereinigt.

Als Bürgermeister derselben fungierten:

1820–1850
Joh. Gottfr. Dillen (gestorben 1854),
3.10.1850–19.9.1854
Alexander Inderfurth zu Beeck (gestorben 19.9.1854) in Personal-Union mit Beeck,
16.1.1855–1.5.1880
Hubert Beckers, bisher Bürgermeister von Myhl und Birgelen, 1880 disziplinarisch entlassen,
5.6.1880–5.5.1892
Hoeren, bisher Kreisassistent in Solingen, jetzt Bürgermeister von Remagen,
30.9.1892–15.1.1898
Peter Josef Brenig, bisher Verwaltungssekretär zu Mühlheim a. Rh. jetzt Bürgermeister von Honnef,
16.12.1898–16.10.1904
Hugo Baurmann, bisher Steuersupernumerar in Aachen, kam als Bürgermeister nach Haaren bei Aachen, dort 1908 verstorben.
20.12.1904 bis heute
Adolf Vollmer, bisher bei der Stadtverwaltung in Aachen.

Die 18 Mitglieder des Gemeinderats sind auf die einzelnen Orte verteilt und zwar wählen Wegberg, Harbeck, Dorp, Bißen, Watern, Großgerichhausen zusammen 8, Uevekoven und Rickelrath zusammen 3, Klinkum, Petersholz, Arsbeck zusammen 4, Tüschenbroich, Broich, Brunbeck, Geneiken und Genfeld 3 Gemeindeverordnete.
Die öffentlichen Bekanntmachungen erfolgten früher nach vorhergehendem Trommelwirbel, später bis heute nach Klingeln mit einer Schelle durch Verlesen auf den Straßen. Daneben werden heute die Zeitungen und Anschlag auf einer Tafel im Rathaus benutzt.


7. Märkte.

In Wegberg bestanden früher 3 privilegierte Markttage und zwar:
1. am 22. Februar (Petri Stuhlfeier);
2. am 29. Juni (Kirchenpatrocinium Petrus und Paulus);
3. am 1. August (Petri Kettenfeier).

Von diesen Märkten besteht heute nur noch die Kirmeßfeier mit Krammarkt (Backwaren und Spielwaren) am ersten Sonntag, Montag und Dienstag nach dem 29. Juni. Ferner findet ein gleicher Markt zur Spätkirmeß am ersten Sonntag, Montag und Dienstag im Oktober statt.

 
8. Wegberg, sein Name und Ursprung.

 Der Ursprung des Namens Wegberg ist in Dunkel gehüllt. Im Volksmund wird der Ort noch heute wie in Urkunden des 15. Jahrhunderts kurzweg Berck oder Berg genannt. In einer Urkunde vom 28. Oktober 1502 und anderen Urkunden wird der Name mit Wegberck, teils mit Weghbergh, Weckberck, teils auch noch mit Berck wiedergegeben, auf einer im Gräflich Mirbach'schen Archiv zu Harff befindlichen Urkunde vom 16. Juli 1428 (Ann. d. h. V. f. d. N. Bd. 55 S. 337) heißt es Weckberg und im Sterberegister von 1660 Weckberck.
 
Berge sind in hiesiger Gegend nicht vorhanden, sodaß auf solche der Name wohl keinen Bezug hat.
 
Rich. Pick ist in den Annalen des h. V. f. d. N. Heft 39 Seite 131 über die Bedeutung des Namens Berg der Ansicht, daß er bei Rheinberg wie bei Wegberg, die beide bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts ursprünglich „Berck, Bergk, Bergh, Berka“ usw. genannt wurden, auf das Wort Bercka zurückzuführen ist. Dieses ist keltischen Ursprungs, zusammengesetzt aus bior, ber = Wasser und Ka = Niederlassung, Haus. Es bedeutet also eine Ansiedlung am Wasser, was den örtlichen Verhältnissen auch genau entspricht.
 
Unter den Dechanten des Dekanates Süsteren wird 1430 ein Hubertus de Berghe genannt. (Lückerath, Beitr. z. G. Heinsberg.)
 
Die fortschreitende Entwickelung des Ortes führte dann wohl im 14. oder höchstens 15. Jahrhundert dazu (siehe oben) den Ort zur Unterscheidung von andern gleichen Namens als Weck- oder Wegberg zu bezeichnen. Aus dem Umstand, daß auf dem Wappen des erwähnten alten Siegels (s. unter Rathaus) in der linken unteren Ecke ein Brot (im Volksmund Weck genannt) dargestellt ist, und in der Kirche eine sehr alte Stiftung unbekannten Ursprungs zur Austeilung von Brot an den Quatembertagen bestand, könnte geschlossen werden, daß dieser Umstand vielleicht zur Bezeichnung des Ortes als Weckberck Veranlassung gegeben hat, welcher Name sich dann später in Wegberg umwandelte.
 
Manche der heute gebräuchlichen Straßennamen finden wir zum großen Teil bereits in den Geburtsregistern um 1680 und in den Rentenverzeichnissen von 1505, 1656, 1711 z. B. Bergstraße, Streudstraße, am Potz, Markusweg, Gracht, Warmershof, ebenso die Ortschaftsnamen.
 
Wann die Gründung des Ortes erfolgte, ist unbekannt.
 
Im Jahre 966 bereits werden in einer Urkunde neben anderen des Mühlgaues die Güter zu Berghe und Ricolferod (Rickelrath) genannt, die Graf Immo in diesem Jahre unter Vermittelung des Kaisers Otto I. an das Aachener Marien-Stift abtrat und dafür andere bei Tongern erhielt. Nach dem Aachener Stift war 1170 das Heinsberger Stift in dem Besitze dieser Güter. Lacomblet und mit ihm Clemen-Renard nehmen an, daß dieses Gut „zu Berghe“ in Wegberg lag.


9. Burg Wegberg.

An der Vereinigung des Fußbaches mit dem Beecker Bach zur Schwalm lag die Burg Wegberg. Nur ein alter Torbau aus dem 16. bis 17. Jahrhundert und die Wassergräben erinnern heute noch an ihren Bestand.

Die Burg Berck war Sitz eines gleichnamigen Geschlechtes, dessen letzter Sproß der im Jahre 1343 erwähnte Ritter Johann von Berck gewesen zu sein scheint. Durch einen seiner Schwiegersöhne Sibodo von dem Bongardt kam dann die Burg an diese Familie. (Clemen-Renard Kunstd. 8, B. III, S. 145 und Z. d. A. G. V., Bd. XXIII, S. 395.)

Werner von dem Bongardt zu Vlatten heiratete Catharina von Tüschenbroich, er starb am 7. April 1505. Eine Christina von dem Bongardt starb 1566 und eine Adelheidis von den Bongardt starb 1636, beide als Vorsteherinnen des Nonnenklosters zu Rheindahlen. Der 3. Sohn des obenerwähnten Werner, Sibert v. d. Bongardt zu Vlatten und Wegberg hatte 1520 Sophia von Wachtendonck geheiratet und starb am 31. Januar 1524. Der Ehe waren 2 Töchter entsprossen, von denen Catharina Vlatten und Sophia Wegberg erbte. Letztere heiratete Johann von Nesselrode, Amtmann zu Windeck. Das Wappen der Familie Bongardt zeigt in silbernem Felde einen schwarzen, mit goldenem sechsstrahligem Stern belegten Querbalken. Ein silberner rechtsgewendeter Brackenrumpf, Balken mit Stern als Halsband tragend, war Helmschmuck. Z. d. A. G. V. Bd. II, S. 179.

Die Grafen von Nesselrode-Ehreshoven blieben bis zum Jahre 1869 im Besitz der Burg, auch „Haus Potz“ genannt, die sie dann mitsamt dem Grundbesitz von 600 Morgen an Herrn Kaufmann Asser zu Cöln verkauften. Letzterer parzellierte den Besitz und verkaufte die Burg.

Die noch stehenden Reste der Burg wurden leider abgebrochen und auf dem Grundstück ein modernes Wohnhaus mit Fabrikgebäuden errichtet.

Das Kirchspiel Wegberg wird bereits um die Mitte des 14. Jahrhunderts genannt. Wegberg muß um diese Zeit bereits eine größere Bedeutung für die Umgegend gehabt haben. Am 30. Mai 1361 verkaufte Wilhelm von der Heyden der Aleidis von Schönau, Klosterjungfrau im Konvent der Cistercienserinnen zu Dalheim im Lande Wassenberg eine Leibrente von 8 Malter Hafer und 18 Hühnern, „maten as zo Bercke dat gelegen is by Tüschenbroich in den Lande van Gelre genghe und geve is“. Ann. d. h. V. f. d. N. Bd. 25, S. 102.

Nach einer Notiz im Kirchenrentenbuch von 1711 S. 375 waren unter den aufgeführten Talern  Wegberger Taler zu verstehen, jeder Taler gerechnet zu 52 Albus leicht oder 2 Gulden und 4 Albus leicht Jülicher Münzen, jeder Gulden gerechnet zu 24 Albus leicht und jeder Albus zu 12 Heller.


10. Rathaus.

Nachdem die Gemeinde am 13. Juli 1770 (s. nachstehende Urkunde Nr. 1) beschlossen hatte, ein „Brandtspruiten Huysken“ zu bauen, ergänzte sie diesen Beschluß (s. nachstehende Urkunden Nr.1–3) dahin, hiermit den Bau eines Schullokales zu verbinden, welches gleichzeitig als Rathaus dienen und Gefängnis und Wachstube enthalten sollte.

Der Bau wurde 1771 begonnen und im folgenden Jahr vollendet. Veranschlagt war der Rohbau ohne Pliesterwerk auf 700 Pattacons (1 Pattacon = etwa 1 Reichstaler). Im Untergeschoß enthielt er Schullokal, Gefängnis und Wachstube, im Obergeschoß die Rathausräumlichkeiten. Der Bau entbehrte zwar jeden besonderen architektonischen Zierrates, und die Räumlichkeiten waren sehr niedrig gehalten, den damaligen Anforderungen genügte er jedoch. Die erste Gemeinderatssitzung im neuen Rathause fand am 3. Juni 1772 statt.

Im Jahre 1819 wurde die Schule aus demselben in das Klostergebäude verlegt.
 
1835 wurde das Rathaus gründlich ausgebessert und ein neues Spritzenhaus angebaut. Die Kosten betrugen 646 Thlr. 11 Sgr.

1855 wird wiederum eine bedeutende Ausbesserung für 400 Thlr. ausgeführt.

Als im Jahre 1894 das hinter dem Rathause am Marktplatze gelegene große Notar Michiel'sche Haus zum freiwilligen gerichtlichen Verkauf stand, beschloß der Gemeinderat unterm 24. Februar 1894 mit 15 gegen 1 Stimme, dieses Haus als Gemeindehaus anzukaufen und einer Kommission zu diesem Zwecke Vollmacht zu geben. Es wäre dann möglich gewesen, das alte, seinen Zwecken längst nicht mehr genügende Rathaus zu beseitigen, dadurch den Marktplatz zu vergrößern und neben ausreichenden Bureauräumen auch eine Dienstwohnung für den Bürgermeister nebst großem Garten zu erhalten. Der Bürgermeister Brenig hatte sich bereit erklärt, für die Wohnung 400 Mk. Miete zu zahlen. Der Ankauf wurde jedoch durch Beschwerden des 1. Beigeordneten und anderer Einwohner an den Kreisausschuß hintertrieben, in welchen vor allem das Bedürfnis für den Ankauf bezweifelt wurde. Bei der folgenden Versteigerung ging das Haus für 12 000 Mk. in Privathände über. Heute hat man allgemein erkannt und bedauert, daß damals die günstige Gelegenheit zum Erwerb eines schönen Gemeindehauses in so kurzsichtiger Weise nicht benutzt wurde.

1903 wurde das alte Rathaus umgestaltet, höher gebaut, mit neuem Dach und mit Freitreppe versehen, sowie durch einen Zementverputz ver...ziert, dem 1907 die Instandsetzung der unteren Rathausräume folgte.

Die Gesamtkosten dieser Arbeiten betrugen von 1903 bis 1910 rund 10 000 Mk.
 
Trotz dieser hohen Kosten entspricht das Gebäude in keiner Weise den zu stellenden Anforderungen, weil es unzweckmäßig eingerichtet und feucht, auch in räumlicher Beziehung ungenügend ist und keine Wohnung enthält.
 
Bemerkenswertes.

Im Zimmer des Bürgermeisters befindet sich ein Napoleonshut und Schärpe eines Bürgermeisters mit schwarzweißen (preußischen) Abzeichen aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Seidenschärpe muß wohl noch aus der österreichischen Zeit stammen, da dieselbe ursprünglich aus den Farben schwarz-gelb bestand. Um nun die Kosten der Anschaffung einer neuen schwarz-weißen Schärpe zu sparen, ist der gelbe Stoff eingeschlagen und mit weißem übernäht worden. Ferner sind dort aufbewahrt drei große alte Nachtwächter- und Brandhörner, eine schwere eiserne Hand- und Fußfessel, auf deren Balken die Jahreszahl 1756 und die Worte „Hand“, „Voed“ zur Bezeichnung der Hand- und Fußseite eingeschlagen sind, sowie ein altes Siegel aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts mit der Umschrift: Gelrischer Scheffen-Segel zu Wegberck, in der Mitte zeigt das Siegel den Pfarrpatron St. Petrus, ein Kreuz (wohl mit Bezug auf das Kreuzherrenkloster) und anscheinend ein Brot (Weck). Dieses Siegel ist bereits von der Mitte des 17. Jahrh. an u. a. bei einer Scheffen-Urkunde vom 5. März 1663 (im Pfarrarchiv) betr. Stiftung Seiben für Seelenmessen und Anniversarium über 500 Reichstaler benutzt. Es befand sich noch Ende des 18. Jahrhunderts im Gebrauch.

Im Besitz des Verfassers befindet sich ein aus der österreichisch-geldrischen Zeit (1771) stammender, früher auf dem Rathausdach angebrachter Doppeladler aus Eisenblech, der unter seinem Amtsvorgänger bei der Renovierung des Rathauses mit dem alten Eisen verkauft wurde.

Urkunde Nr. 1 (Abschrift in Schulchronik).
 
Op heden den 13. July 1770 is extra ordonaire vergardering gewest door de Regenten, Schepenen ende gesworers, warby geresolveert is, dat wegens de voirghe Resolutien, is geresolveert van eine newe Brandt-Spreute te bestellen ende te helpen ordonneren, welcke volgens acoordt hierby door de Regenten ende daer toe merdere Schepenen ende geswoorens gemackt is, warby voor aff noodigh ein huysken on deselve Beschlooten te bewarren, alsoo is dat wy in ons gemeinte ende Dorp geene Kinder Scholle en hebben, also is door de meeste Steemen van Schepenen en Regenten ende geswoorens geresolveert, dat het beter ende dinlycker waere, eine Brandt Spruiten huysken mit einne Scholle te gelyk te bouwen, waervoor de Regenten süllen gecomitteert syn, het selve te veererdighen wie ock einne Karre mit haer toe behoir voor de Brandt Spreute ende voirders wat daer toe noodigh; aldus geresolveert op datum als hierin vermelt.
actum weghbergh op die gerichtscamer.

Urkunde Nr. 2 (Schulchronik).
Extraordinaire vergaederinghe den 24. April 1771.
Eodem vergaederi den Erw: Here G. Smitz Orl. S: E: naemens denseer Eerw. Hre Prior ende pastor alhier, ende den Hre St. Csl: Byll als Verwallter der goederen van syne Extie den Hre grave van nehselrode, voorts de Semptel. Schepenen ende geswoirens Ende hebben de voorn Hren gecommiteerde geerftaens geresolveert/: op's voorbrengen der Regte door de Schepenen en Borgemrs aen den Ed: Hove gepretenteert ten eynde omte mogen Bimmeren een Brandtspruiten-huysken met Schoole en wachtstoove, ingevolge derselven genomene resolutie den 13. Juli 1770, mits grs op de ordrie daerop by welglten Ed: Hove gemargeert hun te houden by de resolutie door hun, mette Semptel. Schepenen en geswoirens den 16. Mey 1769 genomen en dyenvolgens tot geene vernere opbouwinge oft te timmeragie te willen of te connen inwillighen als tot het Bouwen van en Brandtspruyten huysken en wachtstoove der by vermelt voorts de Semtel. Schepenen ende geswoirens/: uytgenomen de Schepenen Joes Phissen en Joes brausten mits grs den Borgemr Joes Kauven:/ geresolveert hun ingelys te houden by hunne genomene resolutie van 13. Juli 1770: en tot et medeopbouwen vaan eene Schoole te persisteeren, als mede dat in Salcken vall hun, lagt der Ed: Hoft voorss: ordrie op hunne regte verleent goet dunckt sult dusdaehingh in te richten denselven bouw mede candienen tot en Raedt huys, en dyenvolgens resolveeren dat darton een plan sal worden verveerdiget, en aen den Ed: Hove verthoont; woertoe echte de Schepenen Nicolae Sassen en Joes Brausten, ende des Borgemrs Engel Quaecken en Joes Kaufen niet gevonsenteert hebben, aldus geresolveert op de gerichts Caemere tot Weghbergh op dagh moendt en jaere als boven.

Urkunde Nr. 3 (Schulchronik)
Copia van die uytcomste van den Herre Raedt onde Comissary N. Jansen insgevolgh Comissie van den 9. dieses.
Op heden den 16. august 1771 hebben wie Raedt ende Comisaris ons begeven naer weghbergh ingevolgh Comissie van 9ten Dieses, alwoer wie vooraff hebben gesien ende geexaminaert de platze alwaer men geintentioneert is te stellen den Timmer in actis Breder vermelt welke platze wy daer toe Seer goet ende bequam hebben bevonden ende van daer ons getransportert hebbende naer den huyse van den acduellen Borgs ments, syn aldaer gecomparreert naemens die geestlycke geerfdens den Herre Capelaen Schmitz ende den Herre verwallter Bill voor den Herre. grave van nesselrode ende voirts de Semptlycke Borgemeesters Schepenen en gesworens an. De welke voorgehouden die Booven gemelte Comissie ende gevraght, of er einige Redenen moghto syn dat den voorhebbenden Timmer soude konnen Beletten den welcken uyt die gemeints pennighen tegen woordigh tot gennennt ende Dinste van puclyck sonder Beswaer van imant konde worden gestelt is daerop eenparlyck geresolveert, dat denselben sall worden vortgeset ende voltrocken in maniere als volgende.
 
Dat denselen sall worden gemaekt op den voet by het overgegevene plaen is ob gegeven te wieten dat eene onder plaets sall dienen voor het Spruyten huyscken aldaer geteckent suc Nr. 2 een voor die Waghstove die gevangenisse Nr. 3 die leste grot 10 respe en 28 voeten binnen wercks inbegripen die Brandmueren.
 
dat die Fondamenten süllen worden gemaekt ter Dickte van twee Steenen ende het voirdere mürwerk ter dickte van ander halven Stein ende die vensters op den voeth als by het vorsyde plan is uyt gesteeken ende geproponeert Synde of men mit den voorhebbenden Timmer instantlyck soude beginnen of te daermede wachten tot den voorsommer van aenstaende Jaere is gesamentlyck geresolveert tat in vall den Borgs Vossen als annehmer van den voorhebbenden Bouw het muerwerck soude konnen vollmomentlyck leveren vor den Feste van St. michaele aenstaende dat in vall mit den Timmer promptlyck sall worden begonst, waerop gehoirt den von Borgemester Vossen aennemende den Bouw voor (den selver tydt) soo vell anbetraght het metsell werk vor den selven tydt te stellen is darop geresolveert, dat mit den Bouw sonder vertreck sall worden begonst ten waere dat tegenwordighe Regens sulx soude beleeten in welcken vall sall worden uytgestelt diesen Timmer te beginnen tot den voorsommer van toekommende Jaere ende is voirders besprocken, dat den aennehmer den Bouw in alles well geconditionert vollboomentlyck sall overleveren so als allrede geconveniert is /: uytgenoomen het plesterwerck:/ tegens die geacoorde Somme vam 700 patts ende sulx gescheidt sall die gemeinte moegen assumeren eenen mester Timmermann ende einen mester metselaer, om den gemaekten Bouw te examineren ende te sien, of alles naer behoiren is gemackt so aengende het metsell als houte werck aennemende den Borgs Vossen op syne Costen te verbeteren of te hermaeken het geene de voorn mesters süllen kommen te verclaeren niet nar behoiren te syn gemaekt; aldus gedaen tot Weghbergh ten huyse van den Borgs Leonardt Mentz ter vergaerderinghe als boven ende heft den voorn: aenemer dese beneffers my Commissaris ende die twee voorn Herren naemens die geerffdens onderteckent ende den Borgs Mentz den presedent Schepen naemens den Schepens respective ende geswoorens waeren onderfeckend. J. Vossen, C. M. Janssens nomine mei prioris Rynders, Schmitz Capelaen, J. F. Byll, Niclaes Sassen, F. Jacobi, L. Mentz Borgstr.

 
11. Armenverwaltung.

Bis zur Säkularisation 1802 war die Armenverwaltung mit der Kirchenverwaltung vereinigt und umfaßte ebenso wie letztere die beiden Gemeinden Wegberg ohne Trennung. Die Armenverwaltung ist ziemlich gut fundiert. Die vorhandenen Kapitalien stammen zur Hauptsache noch aus alter Zeit, wenn auch nähere Angaben im Gemeindearchiv fehlen. Außer Kapitalien besitzt die Armenverwaltung noch rund 40 ha Grund, (26 ha Wald, 14 ha Ackerland). Dieser Besitz wurde der Gemeinde infolge eines Prozesses aus säkularisirten Gütern des Kreuzherren Klosters zuerkannt. Das Gemeindearchiv enthält noch mehrere Armenrechnungsbücher, die interessante Angaben enthalten.

Das im Jahre 1756 angelegte Armenbuch enthält die Angabe, daß es nach einem älteren Buche vom Jahre 1590 angelegt wurde. Es hat folgende Aufschrift:

Armenbuch der Gemeinde Wegberg.

Registrum Renovatum Residuum Pauperum Ecclesiae in Wegberg. Anno 1756.
 
In diesem Register Buch seynd die Unterpfändt so des Brodtss, welches auf die quatertemper Täg in die Kirch geliebert und den Armen aussgespändet wird alss auch der Capitalien, wovon die interesse zeitlicher Armen-Meister Jährlichst zu empfangen und zu berechnen hat. seynd die Unterpfändt von Schüldigern, wie anjetzo gelegen mit Vorgenossen in forma probante aufgegeben, undt in diesem Buch gleichlautend das folium des alten Buchss, wovon ein jegliches Capitale herkommendt angezogen.
Renovatio hoc Anno facta 1756 et Specificatio, quorum Rolla antiqua de Anno 1590. Beim Anfang dess alten Buchss zu finden jetzt aber liebere folgende.

Nach den Eintragungen waren zu liefern von den einzeln aufgeführten Pflichtigen
         
Quatertember
in quadragesima   520 Pfd. Brot
Quatertember
in junio                  760 Pfd. Brot
Quatertember
September            634 Pfd. Brot
Quatertember
Dezember             795 Pfd. Brot
im Ganzen also  2709 Pfd. Brot
        
Unter den Spendern begegnen wir meistens den Namen Thevissen, Pflippen, Görtz, Quasten, Schrammen, Clever, Peters, Wirtz, Mennen, Gentis, Thißen, Jackels, Schmitz, Girckhausen,(Gerichhausen) Gerhards, Quacken, welche Namen auch heute noch vielfach in der Gemeinde vorkommen.
 
1783 wird ein zurückgezahltes Kapital zur Beschaffung „eines neues hohen Altares“ verwendet. (Folio 68.)

Die Rechnungslegung ist sehr summarisch erfolgt, sodaß nähere Angaben über die Herkunft und den Verbleib der Einkünfte nicht ersichtlich sind.
Die Einnahmen und Ausgaben bewegten sich jährlich zwischen 200–400 Thlr.
Die Unterstützungen scheinen meistens in Naturalien (Brot) pp. gewährt worden zu sein.

Bei der Rechnung für 1817 ist folgendes vermerkt. In diesem unvergeßlichen Hungerjahre, wo das Malter Roggen zuletzt 25 Rthlr. kostete, wurden nebst bedeutenden heimlichen milden Gaben 15 Malter Roggen, 3000 Pfd. Brot nebst einer Quantität Zwieback und 1721 Rthlr. 24½ Stbr. zur Unterstützung der Notdürftigen beigebracht und ausgeteilt.
Ploum Pastor.

 
12. Gerichtswesen.

Das niedere Gerichtswesen war in früherer Zeit mit der Gemeinde-Verwaltung verknüpft. Die Aufsicht und die richterliche Gewalt führte der Vogt. Die Scheffen waren nicht nur an der Gemeinde-Verwaltung beteiligt, sondern auch Gehilfen und Beisitzer beim Gericht. Sie stellten öffentliche Urkunden aus und verwahrten dieselben in ihrem Scheffenkump. Wollte z. B. jemand eine Schenkung machen, wollten einige einen Kauf abschließen und darüber eine öffentlich gültige Urkunde ausstellen, so gingen die Parteien in die Versammlung der Scheffen. Die Scheffen faßten die Urkunde ab, bezeugten den Inhalt derselben und hingen an die meist auf Pergament geschriebenen Urkunden ein Wachs- oder Lack-Siegel. Zu größerer Sicherheit wurden die Urkunden doppelt ausgefertigt und eine Ausfertigung im Scheffenkump, auch Scheffenkiste genannt, zur Aufbewahrung hinterlegt. (Gröteken Geschichte Dahlen.)

Solcher Scheffenurkunden finden wir sowohl von den Scheffen des geldrischen Dingstuhls zu Wegberg wie auch von den Scheffen des Jülich'schen Anteils zu Tüschenbroich. Die älteste bekannte Urkunde der Scheffen des Dingstuhls Wegberg (Geldern) stammt vom 28. Mai 1428 und beurkundet den Verkauf einer Erbpacht von 3 Malter Korn von Arndt zu Weil an Paulus zu Dorp, die später im Besitz der Nicolaus Vicarie war. (Urkunde im Pfarrarchiv.)

In der ältesten Zeit hatten die Scheffen von Wegberg-Geldern noch kein eigenes Siegel, weshalb sie entweder ihren Vogt oder die Scheffen der benachbarten Stadt Erkelenz baten, an ihrer Stelle ihr Scheffensiegel an die Urkunde zu hängen. Erst in einer Urkunde von 1630 wird zuerst erwähnt, daß sie ihr eigenes Scheffentums-Siegel angehängt hätten. Dieses selbe Siegel wurde bis zum Ende des 18. Jahrhunderts benutzt und ist heute noch auf dem Rathaus aufbewahrt. Es zeigt in der oberen Hälfte die Figur des Kirchenpatrons St. Petrus, in der unteren Hälfte ein Kreuz mit gleichen Balken, rechts davon ein Brot, ferner die Umschrift: Gelrischer Scheffensegel zu Wegberck.

Die Scheffen des Scheffenstuhls Wegberg (Jülich) zur Herrlichkeit Tüschenbroich gehörend, benutzen schon 1590 ein eigenes Scheffensiegel bei einer Urkunde vom 10. Februar 1590, worin sie den Verkauf einer Erbpacht durch Rudolf von Schonebeck an Johann Klöcker Eheleute bekunden, den diese „zur Deckung der von dem jüngst verstorbenen Wilh. Heinr. von Eyl, Herren zu Tüschenbroich hinterlassenen Schulden“ abgeschlossen haben. Das Ende des 18. Jahrhunderts in Gebrauch befindliche Siegel trug die Umschrift: „S. d. Herrlichkeit Tüschenbroich“ und zeigte in viergeteilten Feldern links oben und rechts unten ein Rad, darunter anscheinend 3 Häuser, in den Feldern links unten und rechts oben eine vierfache Zinne.

Durch Patent Ruremund, 13. Februar 1754, wurde dem Peter Schrammen an Stelle des verstorbenen Arnold Quasten das Gerichtsbotenamt am geldrischen Gericht zu Wegberg übertragen. Die Gemeinde hatte das Recht, für diese Stelle 3 Personen vorzuschlagen, unter welchen dann einer ausgewählt wurde.

In der französischen Zeit gehörte Wegberg zum Kanton und Gerichtsbezirk Niederkrüchten.

Bei der Neuorganisierung der Gerichtsbehörden unter preußischer Herrschaft wurde Wegberg durch Allerhöchste Kabinettsordre vom 9. Juni 1821 zum Kanton und Sitz des Friedensgerichtes für die Gemeinden Wegberg, Beeck, Niederkrüchten, Elmpt, Schwanenberg und Gerderath bestimmt und dem Landgerichtsbezirk in Aachen zugeteilt. In Niederkrüchten fanden fortan nur periodische Sitzungen statt. Die Gemeinde richtete die im südlichen Flügel des ehemaligen Klostergebäudes bisher als Schulsäle benutzten Räume zum Friedengerichtslokale ein, wofür eine Miete von 50 Thlr. jährlich vereinbart wurde.

Bei der Neuorganisation der Amtsgerichte wurde dann 1880 von einem Privatunternehmer ein besonderes Gerichtsgebäude mit Gefängnis erbaut und der Justizverwaltung vermietet, wobei die Gemeinde bis zum Jahre 1892 ein Viertel der Miete zu zahlen übernahm.

Am 1. Oktober 1879 wurde die Gemeinde Arsbeck dem hiesigen Gerichtsbezirke zugeteilt, sowie am 1. Oktober 1893 die Gemeinden Gerderath und Schwanenberg abgezweigt und dem Gericht in Erkelenz zugeteilt.

Das Amtsgericht ist besetzt mit einem Richter und 2 Gerichtsschreibern. Bis zum 16. September 1905 gehörte das Amtsgericht zum Landgerichtsbezirk Aachen, Oberlandesgericht Cöln, wurde dann aber dem neugebildeten Landgerichtsbezirk M. Gladbach, Oberlandesgericht Düsseldorf zugeteilt.

 
13. Verkehrswesen.
 
a) Wege.

Die Wegeverhältnisse waren in älterer Zeit außerordentlich primitiv. Die Wege waren nur mangelhaft befestigt. Die Übergänge über die Bäche bestanden durchweg in Furten. Erst vom Anfang des 19. Jahrhunderts an läßt sich ein genaueres Bild geben. Im Jahre 1828 wurde eine neue Brücke über den Hellbach, an der Gemeindegrenze in Rickelrath gebaut. Kosten 60 Thlr.

1833 eine hölzerne Brücke über den Schrofmühlenbach, Kosten 190 Thlr.
 
1842 eine massiv steinerne Brücke über den Vootbach, Kosten 216 Thlr. 12 Sgr. 1 Pfg. und ein steinerner Kanal am sog. Kruploch, Kosten 113 Thlr. 5 Pfg.
 
1845 eine massiv steinerne Brücke über den Bach in der Hauptstraße.

Nunmehr setzt eine größere Tätigkeit zum Ausbau der Wege ein. In den Jahren 1845–46 wird die Hauptstraße in Wegberg gepflastert, 1850 der Ausbau der Erkelenz–Niederkrüchtener–Venloer Straße, wozu der Staat eine Prämie von 5000 Thlr. pro Meile bewilligt, im Sommer 1855 eine Dreinage im Orte Wegberg zur Trockenlegung der Hauptstraße und der angrenzenden Häuser angelegt, eine Strecke der Wegberg–Rickelrather Straße in einer Länge von 300 Ruthen planiert und mit einer 6 zölligen Kiesdecke versehen, sowie die Beeckerstraße gepflastert; 1856 die Dorfstraße in Tüschenbroich mit einer 6 zölligen Kiesdecke versehen und die Straße Wegberg–Klinkum–Arsbeck als Prämienstraße ausgebaut (Staatsprämie 3000 Thlr. pro Meile);
 
1861–65 die Wegberg-Tüschenbroich-Gerderatherstraße und die Rickelrather Straße ausgebaut. 1871–73 zwei massive steinerne Brücken über Hellbach und Schrofmühlenbach erbaut. 1872–76 die Wegberg-Rickelrath-Dülkener Straße und 1873–74 die Wegberg-Klinkum-Arsbecker Straße als Prämienstraßen vollendet. Die Erkelenz-Venloerstraße wurde 1861, die Wegberg-Arsbecker Straße am 23.12.1873 und die Wegberg-Dülkener Straße erst 1887 in die Verwaltung der Provinz übernommen.

Früher leisteten die Einwohner zum Bau und zur Unterhaltung der Gemeindewege Hand- und Spanndienste in natura, seit dem Jahre 1881 wurden diese Dienstleistungen jedoch beseitigt und die Kosten der Wegeunterhaltung ganz auf den Etat übernommen. 1884 wurde eine neue Brücke über die Schwalm in Wegberg erbaut; 1888 die Hauptstraße in Wegberg neu gepflastert, Kosten 2737 Mk.; 1900 die Beeckerstraße bis zur Gemeindegrenze mit einer Basaltdecke versehen, Kosten ca. 3000 Mk.; 1908 ebenso die Tüschenbroicher Straße bis zum Hagelkreuz mit Basalt, Kosten ca. 3500 Mk. sowie der Weg Bischofshütte-Petersholz mit Rheinkies ausgebaut und 1909 ein weiterer Teil der Tüschenbroicher Straße von Watern bis Tüschenbroicher Mühle mit Rheinkies eingewalzt, Kosten 3500 Mk. und 1911 die Uevekovener Dorfstraße mit Basalt, Kosten 2800 Mk.

Im Jahre 1909 waren an öffentlichen Wegen vorhanden:
         
1. Provinzialstraßen . . . . . . . . . . 12 500 m         
2. Gepflasterte oder mit Basalt maka-
damisierte Gemeindewege . . .  1 150 m
3. Mit Kies befestigte
Gemeindewege . . . . . . . . . . . 19 140 m
4. Nicht befestigte
Gemeindewege . . . . . . . .       43 770 m
   Gesamtlänge . . . . . . . . . . .     75 560 m
   oder rund 76 km.

 b) Staatsbahn.

Durch sein mittlerweile verhältnismäßig recht gut ausgebautes Wegenetz war Wegberg als Mittelpunkt eines größeren Bezirks gekennzeichnet. Mit dem Aufkommen der Eisenbahnen mußte nunmehr des Streben darauf gerichtet sein, auch an das Eisenbahnnetz angeschlossen zu werden und der vorhandenen Landwirtschaft und Industrie bessere Absatzbedingungen zu verschaffen. Aus dem Jahre 1864 berichtet die Gemeindechronik das Auftauchen des Eisenbahnbauprojektes M. Gladbach-Roermond, zu dem der Gemeinderat das im Bereiche der Gemeinde erforderliche Gelände von ca. 32 Morgen auf Kosten der Gemeinde zu beschaffen und zur Verfügung zu stellen sich bereit erklärte.
 
1865 kam das Projekt einer Eisenbahn Düren-Jülich-Erkelenz-Wegberg-Roermond auf, welchem ebenfalls das erforderliche Gelände zur Verfügung gestellt wurde. Nach langwierigen Verhandlungen über die zweckmäßigste Linienführung über Maaseyk-Heinsberg-Wegberg oder Roermond-Niederkrüchten oder Roermond-Wegberg kam 1873 das Projekt Roermond-Wegberg-Gladbach wieder in Fluß, als die Bahnlinie durch einen Geometer vermessen wurde. 1877 wurde hier ein Baubüro errichtet, welches den Bau leitete. Bis zum Ende des Jahres waren die meisten Unterbauten vollendet, auch viele Hochbauten bereits vergeben. November 1878 konnte dann die polizeiliche Abnahme der Strecke und die Eröffnung des Zugverkehrs erfolgen. Aber, obschon die Bahnanlagen in Wegberg fertiggestellt waren, so erfolgte doch erst am 5. November 1879 die Eröffnung der hiesigen Station für den Personenverkehr, der am 5. Juni 1880 die Eröffnung des Verkehrs am Güterbahnhof folgte. Die Züge hielten bis dahin nicht in Wegberg, sodaß die Bahn für die Gemeinde gänzlich bedeutungslos war. Dieser unerfreuliche Zustand war die Folge der abwartenden – um nicht zu sagen ablehnenden – Handlungsweise der Gemeinde, bezw. ihrer Vertretung der Bahngesellschaft gegenüber.
 
In dem schließlich am 14. Oktober 1879 zwischen der Gemeinde Wegberg und der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft abgeschlossenen Vertrag ist das Sachverhältnis wie folgt dargestellt:
 
Urkunde Nr. 4 (Gemeindearchiv).
„Im Jahre 1872 ist zwischen der Bergisch Märkischen Eisenbahngesellschaft und der Gemeinde Wegberg vorbehaltlich der Genehmigung der Königlichen Regierung zu Aachen ein Vertrag abgeschlossen worden, durch welchen die Gemeinde für den Fall, daß die Eisenbahngesellschaft die von ihr projektierte Bahnlinie M. Gladbach-Roermond über Rheydt-Dahlen und Wegberg führe und auf dem Gebiete der Gemeinde, einen Bahnhof anlege, sich verpflichtet, einen niemals rückzahlbaren unverzinslichen Beitrag von 15 000 Mk. zu den Anlagekosten der Bahn an die Eisenbahngesellschaft zu zahlen. Dieser Vertrag ist seiner Zeit mangels Genehmigung der Königlichen Regierung nicht perfekt geworden. Die Eisenbahnverwaltung hat inzwischen das Projekt für die Bahnlinie in der in dem erwähnten Vertrage vorgesehenen Weise gestaltet und nach ministerieller Festsetzung des Projektes dasselbe zur Ausführung gebracht, und hat mit Rücksicht hierauf im Jahre 1877 die Gemeinde Wegberg zur Zahlung des versprochenen Beitrags aufgefordert. Die Gemeinde-Verwaltung von Wegberg hat aber daraufhin beschlossen, mit Rücksicht auf die sehr hohen Kommunallasten den erwähnten Beitrag nicht zu leisten.
 
Nachdem die Eisenbahn-Verwaltung infolgedessen mit Genehmigung des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten den Betrieb auf der inzwischen ausgeführten Bahnlinie M. Gladbach-Roermond im Anfang dieses Jahres eröffnet hat, ohne auch den im Gebiete der Gemeinde Wegberg angelegten Bahnhof mit in Betrieb zu setzen, sind die zwischen der besagten Gemeinde und der Eisenbahnverwaltung wegen der Beitragsleistung entstandenen Differenzen vergleichsweise dadurch zum Abschluß gebracht worden, daß die Gemeinde-Vertretung dem Verlangen der Königlichen Eisenbahndirektion gemäß sich bereit erklärt hat, die Hälfte des seiner Zeit versprochenen Beitrages von 15 000 Mk. mit 7 500 Mk. sofort zu zahlen und die restierenden 7 500 Mk. durch sukzessive Anrechnung auf die der Eisenbahn zur Last fallenden Kommunalsteuern abzutragen, wogegen die Eisenbahnverwaltung nach Zahlung der ersten Hälfte des Zuschusses den Bahnhof Wegberg für den Personenverkehr in Betrieb setzen und dessen Eröffnung für den Güterverkehr nach der alsbald zu erfolgenden Herstellung der hierfür erforderlichen Gleisanlagen stattfinden lassen würde. Die Zustimmung zu dieser Forderung der Eisenbahnverwaltung ist von dem Gemeinderat zu Wegberg in dessen Sitzung vom 8. September d. Js. einstimmig beschlossen worden; da aber der Gemeinderat in dieser Sitzung nicht in beschlußfähiger Anzahl versammelt war, so hat am 4. laufenden Mts. eine nochmalige Beschlußfassung des Gemeinderates in der besagten Angelegenheit stattgefunden, bei welcher wiederum der erwähnten Forderung der Eisenbahn-Verwaltung einstimmig zugestimmt worden ist. Da auch in dieser Gemeinderatssitzung vom 4. l. Monats nicht die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Anzahl von Gemeinderatsmitgliedern anwesend war, so ist dieser Beschluß durch Verfügung des Königlichen Landrats Dombois zu Erkelenz vom 5. lfd. Mts. nach § 64 der Gemeindeordnung zustimmend ergänzt worden.“
 
Die Königliche Regierung erteilte zu diesem Vertrage unterm 22. Oktober 1879 ihre Genehmigung. Für die Übernahme und Unterhaltung der infolge des Bahnbaues neu angelegten oder verlegten Wege erhielt die Gemeinde gemäß Verfügung vom 27. Dezember 1890/27. Januar 1891 eine einmalige Abfindung von 1800 Mk.
 
Die Bahnlinie erlangte große Bedeutung, vor allen Dingen für den internationalen Durchgangsverkehr. Aber auch für die hiesige Gegend ist ihre Bedeutung sehr groß. Im Jahre 1910 betrug der Empfang an Stückgut bei dem hiesigen Bahnhof 1741 Tons, an Wagenladungen 27 934 Tons, Dienstgut 1042 Tons, zusammen 30 717 Tons. Der Versandt an Stückgut betrug 966, an Wagenladungen 6285, an Dienstgut 110, zusammen 7361 Tons.
 
An Großvieh wurden 626 Stück empfangen, 956 Stück versandt, an Kleinvieh 1434 Stück empfangen, 173 Stück versandt. Die Zahl der abgelieferten Frachtbriefe betrug in Empfang 14 811, im Versandt 10 353 Stück. An Fahrkarten wurden 79 360 Stück und 1948 halbe ausgegeben. Bei dieser großen Bedeutung erwies sich das eine Durchgangsgeleise längst als unzureichend, weshalb in den Jahren 1907 und 1908 auf der ganzen Strecke ein 2. Geleise gelegt und am 1. Mai 1909 in Betrieb genommen wurde.
 
c) Kreisbahn.
 
Schon am 28. Juli 1906 wies der Verfasser in einem Berichte an den Herrn Landrat darauf hin, daß das in Prüfung befindliche Projekt einer Staatsbahnverbindung von Burgwaldniel über Niederkrüchten nach Dalheim nur dann für den hiesigen Bezirk Bedeutung hätte, wenn die Linie durch das Schwalmbachtal geführt würde und in Wegberg statt in Dalheim in die Staatsbahn einmündete. Auch würde diese Linienführung mehr im Interesse des Kreises Erkelenz liegen. In einer Eingabe an den Herrn Eisenbahnminister bat er unter eingehender Begründung diese Linienführung in Aussicht zu nehmen.
 
Anfangs 1909 wurde dann von Seiten der Kreisverwaltung ein Projekt bekannt gegeben, den Kreis durch eine Kreisbahn vom südlichen Kreisteile über Erkelenz-Schwanenberg-Wegberg-Niederkrüchten-Elmpt-Brüggen aufzuschließen. Der Kreistag bewilligte zunächst die Kosten für die Ausarbeitung eines baureifen Projekts. Die Pläne dazu konnten schon Anfang April 1911 offengelegt werden. In hiesiger Gemeinde waren Bahnhöfe in Wegberg und Tüschenbroich vorgesehen. Nachdem der Kreistag zunächst die Ausführung abgelehnt, beschloß er im März 1912 ein abgeändertes Projekt zur Ausführung zu genehmigen, welches eine Linienführung von Hilfarth-Hückelhoven-Wegberg-Niederkrüchten-Burgwaldniel mit Abzweigungen nach Erkelenz-Lövenich und nach Brüggen vorsieht. Von Schwanenberg führt die Linie dann nicht über Tüschenbroich, sondern über Beeck nach Wegberg.
 
d) Post.
 
Schon seit alter Zeit bestand in Wegberg an der Beeckerstraße ein Postamt.
 
Im Jahre 1899 wurde dasselbe in ein an der Bahnhofstraße von Privatseite neu erbautes Gebäude verlegt.
 
Im Jahre 1910 betrug die Zahl der eingegangenen Briefe, Postkarten, Drucksachen, Geschäftspapiere und Warenproben 308 900 Stück, die der ausgelieferten 214 500 Stück. An Paketen und Wertsendungen gingen ein 13 452 Pakete ohne Wertangabe, 107 mit Wertangabe, 412 Briefe und Kästchen mit Wertangabe. Aufgegeben wurden 8831 Pakete ohne und 401 Pakete sowie 663 Briefe und Kästchen mit Wertangabe. Die Zahl der eingegangenen Postnachnahmesendungen betrug 3283, die der ausgegangenen 1404. Auf Postanweisungen wurden eingezahlt 433 349 Mk., ausgezahlt 298 465 Mk. Im Postscheck-Verkehr wurden eingezahlt 609 790 Mk. und ausgezahlt 95 360 Mk. Die Zahl der aufgegebenen Telegramme betrug 1155, die der eingegangenen 1023. Das Fernsprechamt vermittelte bei einer Teilnehmerzahl von 29 = 19 900 Gespräche.
 
Die Porto-, Telegramm- und Fernsprechgebühren-Einnahmen betrugen 21 014 Mk., die Einnahmen aus dem Verkauf von Wechselstempelmarken 137 Mk.
 
An Unfall und Invalidenrenten werden jährlich rund 25 000 Mk. ausgezahlt.
 
Im Jahre 1908 wurden in Klinkum und Uevekoven öffentliche Telegraphenhilfsstellen mit Fernsprechstelle eröffnet, denen 1911 eine solche in Tüschenbroich folgte.
 
Als Reminiszenz an die gute alte Zeit verkehrte noch zwischen Wegberg-Beeck-Erkelenz eine Personenpost, die jedoch mit der Eröffnung der neuen Staatsbahnstrecke Jülich-Dalheim am 15. Dezember 1911 ihre letzte Fahrt machte.


14. Industrie und Gewerbe.

Die hiesige Gegend trug früher die Bezeichnung „Flachsland“. Der hier gewonnene Flachs gehörte mit zu den feinsten Arten. Der Flachsbau wurde daher in bedeutendem Maße bis Ende der achtziger Jahre des vor. Jahrhunderts betrieben und bildete eine ergiebige Quelle des Wohlstandes. Noch heute erzählen die älteren Leute gerne von jenen wahrhaft goldenen Zeiten für die Flachsbauern. Allerdings bedurfte der Flachs bis zu seiner Ablieferung der angestrengtesten Arbeit in der Saison, wozu alle verfügbaren Kräfte herangezogen werden mußten. Dem entsprach aber auch das Erträgnis an klingender Münze. Mit dem Voranschreiten der Industrie entzog diese in immer steigendem Maße dem Landmann die Arbeitskräfte. Zwar versuchte man noch, durch Einführung von Maschinen menschliche Arbeitskräfte zu sparen, diese Maßregel konnte aber den Verfall des einst blühenden Flachsbaues nur für kurze Zeit aufhalten. Der Bürgermeister Beckers stellte im November 1862 die erste Flachsschwingmaschine auf. Bald wurde unter Anderem durch Thenen, Gorissen und Windhausen, Adams, Giesen und Ramachers weitere Flachsschwingereien errichtet.
 
Alle hatten reichliche Beschäftigung, sodaß in der Saison oft Dutzende beladene Karren vor den Schwingereien der Abfertigung harrten. Der Flachs bedurfte aber trotzdem noch vieler Bearbeitung durch Menschenhände. Wegen der zunehmenden Leutenot und bei der stark überhand nehmenden Konkurrenz des Auslandes und langjährigen Mißernten war der Flachsbau schließlich nicht mehr rentabel und ging Anfangs der neunziger Jahre vorigen Jahrhunderts ganz ein. Die vorhandenen Flachsschwingereien wurden zum Teil zu anderen Zwecken eingerichtet, zum Teil stehen sie unbenutzt oder sind inzwischen abgebrannt und nicht wieder aufgebaut. Die früher so wertvollen zahlreichen Flachsrösten dienen heute nur noch Fröschen zum Aufenthalt und sind ertragslos.
 
An Stelle des Flachses nahm der Landmann den Anbau von Roggen und Kartoffeln auf, der ihm jedoch nur schwachen Ersatz des früher so lohnenden Flachsbaues gibt. Außer dem Flachsbau war die Sammetband-, Seiden- und Baumwollweberei auf Handstühlen sehr verbreitet. Die Gemeindechronik berichtet, daß in den Jahren 1848, 1851 und 1852 die Sammet- und Seidenwebereien einen wesentlichen Teil der Industrie bilden und flotten, die Kattunwebereien aber dagegen stockenden Betrieb hatten.

Im Jahre 1857 mußten infolge Geldkrise bedeutende Arbeitseinstellungen erfolgen, sodaß von früher 500 nur noch 100 Handwebstühle in Betrieb waren. Auf die damalige Geschäftsstockung ist es auch wohl zurückzuführen, daß die Bettlerplage überhand nahm. 1856 mußten vom hiesigen Friedensgerichte 57 Personen wegen Bettelns bestraft werden. 1861 waren in der Sammetbandindustrie hiesiger Gemeinde 536 Meister, Gesellen und Lehrlinge tätig. Im Jahre 1888 waren noch 388 Handwebstühle vorhanden, davon 284 für Sammet, 44 für Band, 24 für baumwollene, 19 für seidene und halbseidene und 17 für Leinen und halbleinene Stoffe.

1867 wurden die arbeitslosen Weber mit Wegearbeiten beschäftigt. 1867 wurde auf dem Grundstück der früheren Burg Wegberg eine Leimsiederei errichtet, welche 1877 zum Teil abbrannte. Im Jahre 1891 kaufte die Firma C. Billmann & Söhne das Grundstück und errichtete dort eine Leinenweberei, die im August 1892 den Betrieb aufnahm. Mit Rücksicht auf die der Gemeinde dadurch erwachsenden Vorteile wurde der Firma ein einmaliger Betrag von 3000 Mk. gezahlt. Die Firma beschäftigt z. Z. etwa 80 Personen.

1874 verließen ganze Familien infolge Geschäftsflaue die Gemeinde und siedelten nach M. Gladbach über.
1876 und 1877 war der Geschäftsgang derart schlecht, daß die Gemeinde 900 Mk. für die Beschäftigung Arbeitsloser auswarf.
 
1884 waren an Handwebstühlen nur noch 40–50 in der Band- und 80 in der Samtweberei, 1888 nur noch 30–40 in der Bandweberei in Betrieb. 1889 folgte ein kurzer Aufschwung, sodaß 250–300 Stühle wieder arbeiteten, der Niedergang der Handweberei ließ sich jedoch nicht mehr aufhalten, sodaß heute nur noch einige Stühle in Betrieb sind.
 
Die frühere Flachsschwingerei zu Wegberg-Potz wurde 1896 zu einer Fabrik umgebaut, in der Torf zu Teppichen verarbeitet wurde, der Betrieb mußte aber schon 1897 eingestellt werden. 1899 wurde dann Grobweberei eingerichtet, die kein besseres Schicksal hatte, und 1900 bereits in Konkurs geriet, 1901 wieder eröffnet, ging sie Ende 1905 im Zwangsversteigerungsverfahren in den Besitz der Wegberger Baumwoll-Spinnerei und Weberei über. Diese richtete Baumwoll-Spinnerei und Weberei ein und vergrößerte den Betrieb bedeutend, jedoch auch jetzt hatte das Unternehmen kein glücklicheres Geschick. Anfang 1911 wurde es in eine Verbandstoffweberei umgewandelt, die Ende des Jahres schon wieder eingestellt wurde.
 
An weitern gewerblichen Etablissements sind heute 12 Wassermühlen vorhanden und zwar die Tüschenbroicher Öl- und die Mahlmühle, die Bocken-, Bischofs-, Loh-, Wegberger-, Ophover-, Krings-, Molls-, Neu-, Holt- und Schrofmühle, welche teilweise in neuerer Zeit auch mit Dampfkraft arbeiten. Von diesen Mühlen sind die Tüschenbroicher Öl- und Mahlmühle, die Holtmühle, Neumühle, Schrofmühle, Mollsmühle, (letztere früher Priors- oder Oethuesermühle) schon in den Pfarrentenbüchern von 1505 und 1711 aufgeführt. Auch die übrigen Mühlen sind kaum jüngeren Alters. Der Mühlenbetrieb geht jedoch immer mehr zurück, da die kleinen Mühlen gegen die Konkurrenz der fremden großen Dampfmühlen-Betriebe nicht aufkommen können.
 
Ferner bestehen: Stärkegummi- (Dextrin) Fabrik von Gebrüder Frencken, errichtet 1901, seit dem 1. April 1910 bis Mai 1911 außer Betrieb, dann zu einer Strohhülsen- und Häckselfabrik umgewandelt, die jedoch schon im November 1911 ihren Betrieb wieder einstellte; Dampfmühle von Wwe. C. Symes (Wwe. Wilh. Symes) errichtet 1894, beschäftigt zirka 15 Personen; Dampfsägewerk von Gebrüder Jansen, Oktober 1898 errichtet, beschäftigt zirka 8 Personen; Dampfgerberei von Josef Heinen, errichtet 1893, vergrößert 1907, beschäftigt zirka 25 Personen; 3 Ringofenziegeleien; 1 Dampfmahlmühle von Wwe. Saßen in Bißen.
 
Die Landwirte gründeten zwecks besseren Absatzes ihrer Produkte im Jahre 1896 eine Molkereigenossenschaft, die eine Dampfmolkerei erbaute, und in der Folge gute Geschäftsergebnisse hatte.
 
Im Jahre 1905 schloß die Gemeinde mit der Kontinentalen Gasgesellschaft zu Dessau einen Vertrag auf 40 Jahre ab, wonach diese Gesellschaft die Gemeinde zu angemessenen Preisen mit Kohlengas zu Beleuchtungs-, Heiz- und Kraftzwecken versorgt. Zu diesem Zweck wurde von der Gasanstalt zu Rheindahlen eine Rohrleitung gelegt, durch welche das Gas unter Hochdruck in den hier errichteten Gasometer gedrückt und von dort verteilt wird. Bis jetzt sind nur die Orte Wegberg, Bißen, Klinkum, Uevekoven, Watern, Tüschenbroich und Harbeck an die Leitung angeschlossen. Seit dem Jahre 1900 schweben Verhandlungen wegen Versorgung mit Elektrizität. Diese Verhandlungen führten am 12. Januar 1912 zu einem Vertragsabschlusse mit der Stadt Rheydt, wonach diese die ganze Gemeinde mit elektrischem Strom versorgt.

Die Arbeiten zur Anlage der Leitungen sollen im Sommer 1912 fertiggestellt werden.

Ein großer Teil der Bevölkerung geht heute der Beschäftigung in Fabriken nach. Soweit dieselben in den hiesigen Betrieben nicht unterkommen können, fahren die Leute nach auswärts. Gegenwärtig sind rund 400 hier wohnende Arbeiter im Gladbach-Rheydter Industriebezirk beschäftigt. Daneben wird durch die Familienangehörigen, die Frauen und Töchter in der Arbeiter-Konfektion Heimarbeit geleistet.

1910 ist in der Nähe des hiesigen Bahnhofs die Wegberger Spinnerei (Aktien-Gesellschaft) erbaut worden. Dieselbe liegt jedoch im Bezirk der Gemeinde Beeck. 1911 geriet dieselbe in Konkurs und ging 1912 in den Besitz der Firma Bartmann & Sohn über.

In Klinkum sind in den letzten Jahren reiche Braunkohlenlager erbohrt und verliehen worden. Ihre Ausbeutung steht jedoch noch kaum in Aussicht.


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Geschichte der Gemeinde Wegberg

Historischer Verein Wegberg e.V. -18.02.2017 - Letzte Änderung: 18.10.2019

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