Historischer Verein Wegberg e.V.

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Panorama-Aufnahme Wegberg mit Burg Wegberg, Forum, Wegberger Mühle, Rathaus und Pfarrkirche St. Peter & Paul, Foto: Heinen
Führung Elmpter Kapelle
"St. Maria an der Heiden" in Overhetfeld
> Bildergalerie mit Fotos von der Führung
> Bildergalerie mit Fotos vom flandrischen Schnitzalters mit Erläuterungen
Der Historische Verein hatte für den 17.08.2024 zu einer Führung durch die Elmpter Kapelle "St. Maria an der Heiden" in Overhetfeld eingeladen.
Fotos (2): Klaus Kawasch
Bei bestem Wetter fanden sich gegen 11:30 Uhr sowohl Mitglieder des Vereins, als auch solche anderer historischer und heimatlicher Vereine, Vertreter des Netzwerks der Heimatvereine Rur-Schwalm-Niers, als auch sonstige interessierte Teilnehmer ein und wurden von Klaus Kawasch begrüßt, der die Führung organisiert hatte.
Das Innere der Kapelle mit den beiden barocken Altären und dem flämischen Schnitzaltar links im Bild.
Fotos (2) Förderverein Elmpter Kapelle
Die Führung wurde von Andrea Zeien vom Förderverein Elmpter Kapelle geleitet. Frau Zeien wusste von Anfang an die Teilnehmer mit ihrer lockeren und in jeder Hinsicht das Interesse der Teilnehmer fesselnden Art des Vortrags, die Anwesenden zu begeistern. Das am Ende aufgenommene Gruppenbild spricht insoweit für sich.
Begeisterte Besucher und Besucherinnen bei der Führung in der Elmpter Kapelle in Overhetfeld, ganz rechts im Bild die Gästeführerin Andrea Zeien.
Die Elmpter Kapelle kann als kunsthistorisches Kleinod bezeichnet werden, findet man in ihr doch einen flandrischen Schnitzaltar aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts, um den sich viele „Höherrangige“ als die Overhetfelder bereits gestritten haben, der aber letztlich doch an seinen richtigen Ort in der Kapelle zurückgekehrt ist. Darüber hinaus ist die Legende um die Errichtung der Kapelle ausgesprochen spannend.

Die Legende
Der Legende nach hat ein Viehhirte im späten 17. Jahrhundert bei einer Quelle am Diesberg eine geschnitzte Madonna mit Kind auf dem Arm gefunden. Die Figur wurde mehrfach zur Elmpter Pfarrkirche gebracht, kehrte aber auf unerklärliche  Weise immer wieder an ihren Fundort zurück: "Maria will in Overhetfeld wohnen.", so die Legende. Die Herren von Dilborn bauten gegen Ende des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts eine kleine Kapelle. Die Madonnenfigur hat dort bis heute in einem Lütticher Spiegelschrank hinter dem Altar ihr Zuhause.
Die Baugeschichte
Der älteste Teil der Kapelle, der Chor mit den seitlichen Sakristeiräumen, stammt aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert. Ein zweiter Baukörper wurde wenig später als schlichter Vorbau an der Ostseite des Chores erstellt. Er diente als zusätzliche Gebetsstätte. Zeitzeugen berichteten, dass dort Krücken, Weihegeschenke und Dankesplaketten angebracht waren, die Wunderheilungen bezeugen sollten.
Dieser Vorbau wurde 1932 wegen des angeblichen Missbrauchs durch Liebespaare in Verbindung mit den Lustbarkeiten im neu erbauten nachbarlichen Tanzsaal abgebrochen, wie Andrea Zeien schmunzelnd zu erzählen wusste. Das gleiche Schicksal erlebte der Quellbrunnen, von dessen Wasser sich der Überlieferung nach viele Pilger Heilung von Hautkrankheiten versprachen.
Aufgrund des stetig größer werdenden Pilgerstroms errichtete die Elmpter Pfarrgemeinde gegen Mitte des 18. Jahrhunderts einen Saalhallenbau aus Ziegelmauerwerk. Damit erreichte die Kapelle ihr heutiges Ausmaß.
Die Ausstattung
Im Inneren der Kapelle fallen dem Besucher auf den ersten Blick zwei barocke Altäre sowie die Rokokobänke auf. Auf der rechten Seite ist ein eindrucksvolles Gemälde des Brüsseler Malers Oliveris Pirotte aus dem Jahr 1759 (Begegnung Christi mit der Ordensstifterin Hl. Theresia von Avila) zu sehen. Die Orgel stammt aus dem 19. Jahrhundert.
Das Highlight
Das besonderes Kleinod ist der flandrische Schnitzaltar aus dem frühen 16. Jahrhundert. Er zählt zu den bedeutendsten Kunstwerken weit über den niederrheinisch-maasländischen Raum hinaus. Dieses Meisterwerk  der Holzschnitzkunst ist einer der wenigen fast vollständig erhaltenen Altäre aus der Werkstatt des Schnitzers Johannes de Valle (Hans van Dael) und des Malers Jan Pree (Provost), die zwischen 1505 und 1540 in Antwerpen arbeiteten. Die Detailfülle dieses Meisterwerks der Schnitzkunst ist faszinierend. Der weitgehend vergoldete Altarschrein zeigt in drei großen Feldern den Leidensweg Christi, die Kreuzigung und die Beweinung. Hinzu kommen sechs kleinere Felder mit Szenen aus der Kindheit Jesu. Die gemalten Flügel des Altars stellen den Ölgarten, die Gefangennahme  Jesu, ein Ecce homo-Bild, Auferstehung, Himmelfahrt und Pfingsten dar.
103 Figuren wurden direkt ins Holz geschnitten und nicht – wie von anderen Werken bekannt – in die Fenster hineingesetzt. Drei Figuren wurden leider gestohlen. Insgesamt zählte man 70 abgebildete Hände. Die Antwerpener Hand auf der Rückseite des Altars verweist auf die Herkunft aus der Antwerpener St. Lukas-Gilde.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde der Altar für die Kirche des adeligen Zisterzienserinnenklosters Graefenthal bei Goch bestellt. 1761 überließ die damalige Äbtissin des Klosters Graefenthal, Charlotte von Geldern, ihn ihrer Schwester, Freifrau von Geloes (geborene von Geldern), Besitzerin von Schloss Dilborn, um den schönen geschnitzten Altar dort in der Kapelle auf Schloss Dilborn aufzustellen. Diese ließ den Altar später nach Overhetfeld bringen.
Im 18. Und 19. Jahrhundert erfuhr der Altar nur geringe Wertschätzung. Während der Zeit der französischen Fremdherrschaft diente die Elmpter Kapelle als Pferdestall. Die Franzosen, die viele Kunstwerke aus Kirchen und Klöstern holten und nach Paris brachten, erkannten offensichtlich nicht den Wert dieses Kunstwerkes und ließen den Altar im Pferdestall hängen.
Ein so kostbares Kunstwerk weckt Begehrlichkeiten
Während des Ersten Weltkrieges wurde der Altar sicherheitshalber nach Aachen gebracht. 1908 hatte der Konservator der Erzdiözese Köln, Professor Schnütgen, ein Gutachten erstellt, bei dem er den Wert des Altarschreins auf 30.000 Goldmark schätzte. Er stellte dabei die Frage, ob sich eine so arme Gemeinde ein so wertvolles Kunstwerk leisten könne. Aufmerksam geworden, wollten die Aachener nach dem Krieg den Altar nicht zurückgeben. Die Elmpter Pfarrgemeinde, zu der Overhetfeld gehört, intervenierte, stellte den Altar nach der Rückgabe aber in der Elmpter Pfarrkirche auf. Die Overhetfelder rebellierten, bis sie ihren Altar zurückbekamen.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde das wertvolle Stück erneut nach Aachen in Sicherheit gebracht. In den 1980er Jahren wollten die Gräfenthaler plötzlich „ihren“ Altar zurückhaben, was aber letztlich nicht zum Erfolg führte.
Der Außenbereich
Die Kapelle liegt in Mitten eines Ruhe ausstrahlenden Dorfangers und war früher ringförmig von zwölf mächtigen Lindenbäumen - den "zwölf Aposteln" - umgeben. Die Bäume mussten vor etwa 40 Jahren wegen Altersschwäche gefällt werden. Im Frühjahr 2011 wurde zur Wiederherstellung der historischen Baumformation neue Bäume gepflanzt.

Der Förderverein Elmpter Kapelle
Da das Bistum Aachen sich künftig nicht mehr in der Lage sieht, die Instandhaltung aller kirchlich genutzten Gebäude im Bistum Aachen zu bezuschussen, müssen die Kirchengemeinden alternative Finanzierungsmodelle für die Instandhaltung von einzelnen Gebäuden in  der jeweiligen Pfarrgemeinde finden.
Um das Gotteshaus Elmpter Kapelle St. Maria an der Heiden und die darin befindlichen kunsthistorischen Schätze weiterhin erhalten zu können,  wurde am 19. November 2015 der Förderverein Elmpter Kapelle e.V. gegründet.
Gästeführerin Andrea Zeien bietet eine äußerst interessante Führung an, die über den Förderverein unter folgendem Kontakt gebucht werden kann:
> foerderverein@elmpterkapelle.de.
Um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, kann man den Eingangsbereich der Kapelle täglich von 8:30 bis 16:00 Uhr frei betreten.


> Weiterführende Literatur:

Im Besonderen möchten wir auf die Broschüre des Fördervereins und den Aufsatz von Karrenbrock/Peez hinweisen:
Förderverein Elmpter Kapelle e.V. (2023) Pilgerstätte, ein kunsthistorisches Kleinod und ein Wahrzeichen unserer Gemeinde (Broschüre)
Reinhard Karrenbrock und Marc Peez (2008) Zur mittelalterlichen Ausstattung der Abteikirche Graefenthal (Aufsatz), in: Graefenthal / [Landschaftsverband Rheinland. Red.: Kristin Dohmen ...]; Worms, 2008; S. 245-268 : Ill.

Habets, J. (1890) Geschiedenis van het bisdom Roermond en van de bisdommen, die hetin deze gewesten zijn vorafgegaan. Tweede Deel:  Het oude bisdom Roermond. Roermond.
Heizmann, Berthold (1981) Wallfahrtsorte  im Rheinland. In: Wallfahrt im Rheinland, (Werken und Wohnen -  Volkskundliche Untersuchungen im Rheinland 14.) S. 113-164. Köln.
Hügen, Ludwig (1993) Zwischen Schwalm und Grenzwald. Geschichte der Altgemeinden Elmpt und Niederkrüchten. Niederkrüchten.
Knorr, Edmund (1966) Wanderung  im Südzipfel des Naturparks Schwalm-Nette. In: Tag der Rheinischen  Landschaft am 24. und 25. September 1966 in Krefeld, (Beiträge zur Landesentwicklung 1.) S. 71-74. Köln.
Knorr, Edmund (1934) Sommerfahrten  der Aachener Bezirksstelle für staatl. Naturschutz durch das Land an  der Schwalm. In: Rheinische Heimatpflege 6, Heft 4, S. 351-353. Düsseldorf.
Kronsbein, Stefan (1991) Quellen am unteren  linken Niederrhein - ein natur- und kulturgeschichtlicher Beitrag. In: Klostermann, Josef; Kronsbein, Stefan; Rehbein, Hansgeorg (Hrsg.): Natur  und Landschaft am Niederrhein - Naturwissenschaftliche Beiträge.  Festschrift zum 80. Geburtstag von Dr. Hans-Wilhelm Quitzow,  (Niederrheinischer Landeskunde. Schriften zur Natur und Geschichte des  Niederrheins, Band X.) S. 349-429. Krefeld.
Niederée, Wilhelm (2001) Graefenthaler Altar in Elmpt-Overhetfeld. Eine Ergän-
zung. In: An Niers und Kendel 37, 2001, S. 9.
Peters, Leo (1977) Ein Hinweis zur Geschichte des flandrischen Altars der Elmpter Kapelle. In: Heimatbuch des Kreises Viersen 1977, S. 96.
Pinzek, Edwin (1965) Der flandrische Schnitzaltar von Overhelfeld, 44 S., 16x14 cm.
Pitz, W. (2000) Kleinod aus Graefenthal entdeckt. Flandrischer Schnitzaltar von Johann de Valle (1525–1545) aus Kloster Graefenthal in der Marienkapelle in Elmpt-
Overhetfeld erhalten. In: An Niers und Kendel 36, 2000, S. 19–21.
Siemes, Helena; Philips, Gerd (2001) Durch das Jahr. Feste und Bräuche am Niederrhein. Duisburg.
Wynands, Dieter P. J. (1986) Geschichte der Wallfahrten im Bistum Aachen. (Veröffentlichungen des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen 41.) Aachen.
Zanders, Max (1993) Religion  und Brauchtum. Eine Untersuchung über den Raum Lobberich und Umgebung  anläßlich der Ausstellung in der Alten Kirche St. Sebastian vom 2.10.-15.10.1993. Nettetal-Lobberich.

Historischer Verein Wegberg e.V. - 17.08.2024 - Letzte Änderung: 23.08.2024

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