Historischer Verein Wegberg e.V.

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Mundart in der wissenschaftlichen Erforschung
- Das Projekt Regionalsprache.de REDE
des Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas

Das von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Mainz) geförderte Langzeitprojekt Regionalsprache.de (REDE) ist ein Forschungsprojekt des Marburger Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas mit dem Ziel der Erforschung der modernen Regionalsprachen des Deutschen.


In REDE werden Daten aus den folgenden Datenklassen integriert,  miteinander vernetzt und dem REDE-Nutzer für systematische  (historisch-)vergleichende Analysen zur Verfügung gestellt:

 
  • Sprachkarten und Sprachatlanten aus Projekten des Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas und anderen Projekten
  • Tonaufnahmen,  die im Rahmen des REDE-Projekts entstanden (REDE-Neuerhebung), sowie  Tonaufnahmen der Erhebungssätze aus anderen Dialektatlasprojekten
  • volldigitalisierte Wenkerbögen
  • georeferenzierte bibliographische Daten zur arealsprachlichen Forschungsliteratur
  • kartierte soziodemographische, historisch-administrative Daten sowie weitere Geo-Daten in Form von Karten und Kartenelementen
  • Daten aus Spektrumsanalysen des REDE-Projekts, die das gesamte  Variationsspektrum vom Dialekt bis zum Regionalakzenten beschreiben.
 

Die jeweiligen Inhalte sind in den folgenden Anwendungen aufbereitet:
 
  • REDE SprachGIS
  • Audio-Katalog
Im Audio-Katalog finden sich einige Tonaufnahmen aus der Region, so z.B. aus Birgelen, Haaren,Kirchoven
  • GOBA-Katalog

Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas

Zentrale Aufgabe des Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas ist die  Erforschung der Dialekte, Substandardvarietäten und Regionalsprachen der deutschen Sprache. Für diese Aufgabe bietet das Institut der „scientific community“ umfassende Forschungsmöglichkeiten. Hierzu  gehören umfangreiche, zum größeren Teil einmalige Sammlungen und  Dokumentationen (Forschungsmaterialien), eine Spezialbibliothek,  linguistische Sprachdatenerhebungs- und Analyseeinrichtungen und ein  sprachgeographisches Computerlabor.

Recherche- und Dokumentationszentrum Regionalsprache
Das Recherche- und Dokumentationszentrum  Regionalsprache versteht sich als zentrales Dienstleistungszentrum für  alle WissenschaftlerInnen und interessierten Laien, die sich mit dem  Forschungsspektrum des Deutschen Sprachatlas beschäftigen.
In  inhaltlicher und räumlicher Nähe beherbergt es umfangreiche  Archivbestände, weltweit einmaliges Sprachkarten- und  Sprachatlantenmaterial, eine systematisch erschlossene  Forschungsbibliothek sowie audiovisuelle Dokumente.

Literatur zu Regionalsprachenforschung und Wissenschaftsgeschichte
Die Spezial-Bibliothek umfasst circa 38.000 Bände zur   Regionalsprachenforschung und Wissenschaftsgeschichte. Die systematisch  erschlossene regionalsprachliche Forschungsliteratur ist größtenteils im  Freihandbestand aufgestellt und umfasst neben historischen Orts- und  Landschaftsgrammatiken, Dialektwörterbüchern, aktueller und historischer  Literatur zur Dialektologie, Variationslinguistik und Dialektgeographie  auch einschlägige Periodika und Zeitschriften.

Tondokumente
Das Tonarchiv umfasst ca. 6000 Tonaufnahmen deutscher Dialekte. Diese  reichen historisch bis in die Anfänge der Tonaufzeichnung (Ende des 19. Jahrhunderts) zurück und liegen auf verschiedenen Datenträgern vor (z.  B. Schellackplatte, Tonband, Audiokassette).
Große Teile der Sprachaufnahmen wie etwa alle Wenkersatz-Übersetzungen aus verschiedenen Korpora (z.B. Mittelrheinischer Sprachatlas, Preußisches Wörterbuch) sind online frei verfügbar. Die analog vorliegenden Tonaufnahmen werden  kontinuierlich systematisch erschlossen und digitalisiert.

Sprachatlanten und Erhebungsmaterialien
Einen Kernbestand der Sammlung bilden Sprachatlanten und ihre Erhebungsmaterialien.
So umfasst die Sammlung mit den 1.668 handgezeichneten Teilkarten das  erste vollständige Exemplar des "Sprachatlas des Deutschen Reichs" von  Georg Wenker (das zweite Exemplar befindet sich heute in der  Staatsbibliothek zu Berlin) sowie die ca. 50.000 dazugehörigen  Erhebungsbogen.
Bei diesem weltweit einzigartigen Material handelt  es sich um eine flächendeckende Dokumentation der deutschen Dialekte im  ausgehenden 19./beginnenden 20. Jahrhundert.

Ein weiterer historisch einmaliger Bestand stellt auch der von Georg Wenker handgezeichnete "Sprachatlas der Rhein-Provinz nördlich der Mosel und des Kreises Siegen" dar. Dieser Atlas von 1878 kann als Beginn der wissenschaftlichen Sprachkartographie gelten.

Weitere ca. 50.000 historische Dialektdokumentationen liegen etwa mit den mehrseitigen  Erhebungsformularen für den "Deutschen Wortatlas" vor.
Neben  den historischen Sprachkarten, Sprachatlanten und Erhebungsmaterialien  umfasst die Sammlung zahlreiche moderne Sprachatlanten des Deutschen  sowie anderer Sprachen.

Wenkersätze
1. Die Wenker-Fragebogen
Die Wenkerbogen stellen die Datengrundlage für  Georg Wenkers Sprachatlanten dar, mit denen die einzelnen Lokaldialekte  in den Jahren 1876 bis 1887 erhoben wurden. Die Daten wurden per  indirekter Erhebung gewonnen, indem Wenker seine Fragebogen an Schulen verschickte, um sie dort von lokalen Gewährspersonen ausfüllen zu  lassen. Wie aus dem an die Lehrer adressierten Anschreiben hervorgeht, bestand die Aufgabe darin, vorformulierte hochsprachliche Sätze mit den durch das "allgemein gebräuchliche Alphabet" zur Verfügung gestellten  Mitteln in den jeweiligen Ortsdialekt zu übertragen. Die Sätze waren so  zusammengestellt, dass typische lautliche und ausgewählte grammatische Eigenschaften der betreffenden Dialekte in der Übersetzung hervortreten mussten. Wurde beispielsweise im Fragebogen das Wort "Äpfelchen"  vorgegeben, so war zu erwarten, dass in Gebieten, in denen  sprachhistorisch der Plosiv /p/ nicht zur Affrikate /pf/ verschoben  wurde, die Schüler eine Form mit inlautendem /p/ schreiben würden. In der Summe solcher Dialektmerkmale sollten sich einzelne  Sprachlandschaften voneinander abgrenzen lassen, so hatte Wenker vermutet.

2. Entwicklung und Datenerhebungsphasen der Fragebogen
Die  Erhebung wurde in verschiedenen Etappen mit unterschiedlichen  Fragebogen durchgeführt. Den Anfang bildete Wenkers Untersuchung in der  näheren und weiteren Umgebung seiner Heimatstadt Düsseldorf im Jahr  1876. Der Fragebogen dieser ersten Erhebung umfasst 42 Sätze  ("rheinische Sätze").
Nach dem  erfolgversprechenden Beginn des Unternehmens wurde der Plan gefasst,  ganz Westfalen zu erheben, wofür unter Aufgabe spezifischer Phänomene  des zuvor relativ kleinräumigen Untersuchungsgebietes ein Bogen mit 38  Sätzen konzipiert wurde ("westfälische Sätze"). Diese Erhebung fand 1877  statt. In einer weiteren Ausdehnung des Untersuchungsgebietes sollte  nun ganz Preußen erhoben werden. Auf Betreiben der preußischen Akademie  der Wissenschaften wurde dieser Plan allerdings aufgegeben und ganz  Nord- und Mitteldeutschland zum Erhebungsgebiet erklärt. Hierfür wurde  wiederum ein Bogen mit 40 Sätzen entworfen ("Wenkersätze" im  eigentlichen Sinne). Gegenüber dem westfälischen Bogen wurden zwei Sätze  hinzugefügt, die übrigen geringfügig überarbeitet. Die Erhebung dieses  Großgebietes dauerte von 1879 bis 1880. Um die überregionale  Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, wurde dieser  überarbeitete Fragebogen 1884 auch nochmals in das bereits sieben Jahre  zuvor – jedoch mit anderem Bogen – erhobene Rheinland gesandt.
Nachdem  das Sprachatlasunternehmen unter staatliche Leitung gestellt worden  war, sollte schließlich das Erhebungsgebiet um den gesamten süddeutschen  Raum erweitert werden. Für diese letzte Großerhebung blieben die Sätze  des Bogens von Nord- und Mitteldeutschland zwar unverändert, jedoch  wurden auf der Rückseite zusätzliche Stichwörter abgefragt wie z. B.  Wochentage oder einzelne Zahlwörter. Außerdem wurden die Lehrer im  Anschreiben erstmals angehalten, phonetische Besonderheiten - wie z. B.  Nasalierung oder offene vs. geschlossene /e/-Qualitäten - durch  vorgegebene Schreibkonventionen zu kennzeichnen. Die  Erhebung Süddeutschlands konnte 1887 durchgeführt werden.
Nach  Abschluss der Erhebungen lagen insgesamt 44.251 Fragebogen aus 40.736  Schulorten vor. Für die Gebiete außerhalb des Deutschen Reiches wurden  eigene Nacherhebungen vorgenommen. Vorbild dieser Explorationen war der  süddeutsche Fragebogen, der gegebenenfalls um einzelne Stichwörter  erweitert wurde. Die erste Nacherhebung wurde 1888 in Luxemburg durchgeführt (325 Bogen). Von 1926-1933 wurden erhoben: das  Sudetenland (2.854 Bogen), Österreich (3.628 Bogen), Liechtenstein (24  Bogen), das Burgenland (28 Bogen), das Gottscheerland (35 Bogen),  die Schweiz (1.785 Bogen), Polen jenseits der alten Reichsgrenze (396  Bogen), Südtirol (485 Bogen), die sieben und dreizehn Gemeinden der  zimbrischen Mundarten in Norditalien (20 Bogen), Nord- und Ostfriesland  (67 Bogen). Zusätzlich gingen 2.050 fremdsprachige Bogen ein (z.B. Jiddisch). Damit wurden insgesamt 51.480 Bogen aus 49.363  deutschsprachigen Orten erhoben. Darüber hinaus liegen inzwischen  Wenkerbogen aus weiteren deutschsprachigen Gebieten ausländischer  Staaten – wie z. B. Russland – vor.
Süddeutschland: Als zusätzliche Lemmata wurden heiß, nein, blau, grau, hauen, Hand, Hanf, Helm, Flachs, er wächst, Besen, Pflaumen, Brief, Hof, jung, krumm, Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, elf, fünfzehn, sechzehn und fünfzig erhoben.  Außerdem wurden Nasalierung, geschlossenes vs. offenes /e/, apikales  vs. uvulares /r/, stimmhaftes vs. stimmloses /s/, Lenis vs. Fortis und  dialektale Aussprache des Ortsnamens abgefragt.
Luxemburg: Hier wurden Norden,  irden, morden, Vorderbein, mit seinen Pferden, Herde, Hirten, Gürtel,  Karten, die harten Wörter, Gartenbohne, Kraft, Luft, stiften,  Hintergeschirr (vom Pferde) und du haust als zusätzliche Lemmata abgefragt. Die Lemmata Brief und Hof fielen weg.
Schweiz: Für die Erhebung der Schweiz wurde der süddeutsche Bogen um das Lemma Kartoffel ergänzt

3. Digitalisierung
Die  historischen Wenkerbogen, die die Datengrundlage für Georg Wenkers  "Sprachatlas des Deutschen Reichs" bilden, sind stark vom Verfall  bedroht. Trotz sorgfältiger Lagerung im Archiv des Forschungszentrums  Deutscher Sprachatlas sind die Erhebungsbogen einem ständigen Schadprozess ausgesetzt, der durch die Qualität des säurehaltigen Papiers und der Tinte auf Eisenverbindungsbasis sowie durch die häufige  Benutzung bedingt ist. Der Zustand der Bogen wird vor allem an den meist  stark beschädigten Seitenrändern deutlich.
In einem aufwändigen Prozess wurden die Formulare mit einer optischen  Auflösung von 400 dpi digitalisiert. Die Bogen können sowohl über  verschiedene Recherche-Funktionen im REDE-SprachGIS als auch über den Wenkerbogen-Katalog eingesehen werden.

4. Literatur
Eine detaillierte Übersicht über Georg Wenkers Erhebungen bietet:
Fleischer,  Jürg (2017): Geschichte, Anlage und Durchführung der  Fragebogen-Erhebungen von Georg Wenkers 40 Sätzen: Dokumentation,  Entdeckungen und Neubewertungen. Hildesheim/Zürich/New York: Olms. (Deutsche Dialektgeographie. 123) 201 S.
Eine  vollständige Edition Georg Wenkers Schriften zum "Sprachatlas des Deutschen Reichs" sowie ein systematisches Register aller berücksichtigten Sprachphänomene liegt mit dem folgenden dreibändigen Werk vor:
Lameli, Alfred (2014): Erläuterungen und Erschließungsmittel zu Georg Wenkers Schriften. Unter Mitarbeit von Johanna Heil und Constanze Wellendorf. Hildesheim/New York/Zürich: Olms. (Deutsche Dialektgeographie. 111.3) 310 S.
Georg Wenker (2013): Schriften zum "Sprachatlas des Deutschen Reichs". Gesamtausgabe. Band 1: Handschriften: Allgemeine Texte, Kartenkommentare 1889–1897. Herausgegeben und bearbeitet von Alfred Lameli. Unter Mitarbeit von Johanna Heil und Constanze Wellendorf. Hildesheim/New York/Zürich: Olms. (Deutsche Dialektgeographie. 111.1) 466 S.
Georg Wenker (2013): Schriften zum "Sprachatlas des Deutschen Reichs". Gesamtausgabe. Band 2: Handschriften: Kartenkommentare 1898–1911; Druckschriften: Veröffentlichungen 1877–1895. Herausgegeben und bearbeitet von Alfred Lameli. Unter Mitarbeit von Johanna Heil und Constanze Wellendorf. Hildesheim/New York/Zürich: Olms. (Deutsche Dialektgeographie. 111.2)  510 S.

 
REDE YouTube-Kanal (Dennis Beitel & Maria Luisa Krapp)
 
Die Reihe "kurz & kartig" zeigt kurz und knapp die wichtigsten Funktionalitäten des REDE SprachGIS.
weiter: Logo anklicken

Regiolektkarten


Die Regiolekte im Rheinland zeichnen sich durch deutlich weniger zwischenörtliche Differenzen aus als die hier gesprochenen Dialekte. Trotzdem ist die Sprachlandschaft zwischen Niederrhein und Eifel auch auf dieser Ebene noch äußerst vielgestaltig - wie die Karten zeigen werden. Umgekehrt nehmen die innerörtlichen Varianten vom Dialekt zum Regiolekt hin zu. Wenn die Einwohner der Stadt Essen über einen Kaffee sprechen, der nur lauwarm oder zu schlapp ist, dann verwenden sie Ausdrücke wie Plörre, Brühe oder Muckefuck. Sie gebrauchen aber auch Bezeichnungen wie Blümchenkaffee, Miege, Lorke/Lorche oder Spülwasser. Gesöff, Plempe oder Mucke sind weitere Wortoptionen. Bodensehkaffee (oder Bodenseekaffee) wäre auch eine Alternative. Eine solche lokale Variantenvielfalt lässt sich auf Regiolektkarten für größere Räume nicht mehr darstellen.

Der Regiolekt kann mal mehr zum Dialekt, dann wieder mehr zum Standarddeutschen hin tendieren. Wenn, wie beispielsweise beim Material für die Karte Bonbons, vor allem ältere Gewährspersonen befragt wurden, zeigen sich Dialektreste viel stärker als in Befragungen Jugendlicher. Bestimmte regionalsprachliche Elemente sind jedoch auch bei jungen Leuten heute noch äußerst stabil.

Die hier vorgestellten Karten basieren in der Regel auf Fragebogenerhebungen des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte.

Der Regiolekt scheint sich zum Element eines regionalen Sprachbewusstseins zu entwickeln. Die zunehmende Entdialektalisierung des Rheinlandes wertet offensichtlich die regional geprägte Umgangssprache als Moment der sprachlichen Identität auf. Damit gerät sie natürlich in den Fokus der Sprachwissenschaft. Sie fragt, wer im Rheinland diesen Regiolekt bei welchen Gelegenheiten spricht; ob es erkennbare Unterschiede zwischen den Generationen gibt; ob es regionale Unterschiede gibt; welche sprachlichen Merkmale ihn kennzeichnen; welche Einflüsse die alten Dialekte auf den Regiolekt haben; wie sich der Regiolekt entwickelt; welches Prestige diese Variante hat; wie Schule/Lehrer mit dem Regiolekt umgehen; wie Medien auf diese Sprachform reagieren.

Historischer Verein Wegberg e.V. - 09.09.2021 - Letzte Änderung: 10.11.2022

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