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> Arbeitsgruppen > Archäologie > Archäologie LVR-ABR > Tag der Archäologie 2017 - Teil 2


Samstag, 20.06.2017 - Titz-Höllen
Tag der Archäologie des LVR


Teil 2: Ausstellung von Funden und Befunden aus mehreren Grabungen auf dem Gelände der Außenstelle Titz-Höllen

Beim Tag der Archäologie wurden auf dem Gelände der LVR-Außenstelle in Titz-Höllen neue archäologische Funde und Befunde aus dem Rheinischen Braunkohlenrevier vorgestellt.


Elf Brunnen aus Borschemich


Mit dem Thema "Brunnen" hatten sich die Grabungstechniker Josef und Denis Franzen beschäftigt. Brunnen sind für Archäologen wahre Schatzkammern, da die Feuchtbodensedimente eine gute Erhaltung von organischen Resten gewährleisten. Allerdings ist der untere Brunnenbereich aufgrund ihrer Tiefe für archäologische Grabungen kaum oder gar nicht erreichbar. Nur durch den Tagebau ergibt sich die Möglichkeit, die Brunnen bis auf eine Tiefe von ca. 20 m mittels des Einsatzes der Schaufelbagger zu untersuchen.
Im Speziellen wurden Brunnen aus Borschemich vorgestellt. Funde waren vor allem hölzerne Baumaterialien, Eisenwerkzeuge mit Holzgriffen sowie Leder und Knochen gefunden.
In einem Geländeschnitt hat Josef Franzen die Brunnen von Haus Palant (Grabung FR 153) und die des benachbarten römischen Gutshofes  bei Borschemich (Grabung FR 152) dargestellt.


Letzte Funde vom römische Gutshof bei Borschemich sind Teile eines Fasseimers und einer Schöpfkonstruktion. Josef Franzen hat die Fundstücke zur mutmaßlichen Form des Eimers ergänzt und Überlegungen zur Schöpfkonstruktion angestellt, die es ermöglicht, dass das Wasser automatisch am Brunnenrad ausgegossen wird.

Bild oben:
Josef Franzen erläutert zwei Mitgliedern der Archäologiegruppe des Historischen Vereins die Funktion und Wirkungsweise der Schöpfkonstruktion.

Bild links: So könnte die Schöpfvorrichtung ausgesehen haben.
Foto: Infotafel LVR, Josef Franzen


Funde und Befunde des Gräberfeldes bei Inden-Pier

Im Mittelpunkt der Ausstellung stand die mittlerweile abgeschlossene Ausgrabung bei Inden-Pier, Tagebau Inden.
Es handelt sich dabei um das mit fast 600 Gräbern größte zusammenhängende Gräberfeld der frühen Eisenzeit (8. bis 6. Jahrhundert v. Chr.) im Rheinland. Nachdem im Vorjahr die Besucherinnen und Besucher des Tages der Archäologie die Freilegung einer ersten, im Block geborgenen Urne hautnah miterleben konnten, wurden nun erste Ergebnisse präsentiert.


Lesen Sie auch den
> 1. Teil des Fotoberichts
Grabung Vilvenich im Vorfeld des Tagebaus Inden

Mehrere Gräber fallen durch die Beigabe von reichem Bronzeschmuck auf. Während ein Grab neben dem Leichenbrand einen Armring, eine auf einem dünnen Bronzedraht aufgezogene Glasperle und sogar einen Wendelhalsring enthielt, wies ein weiteres Urnengrab noch kostbarere Beigaben auf: ganze Sätze von verzierten Arm- und Halsringen.

Schmuck aus Grab 170

Urne aus Grab 210

Schmuck aus Grab 210

In diesem Jahr konnten die Besucher die Restauratorin Inge Thißen bei ihrer Arbeit beobachten. Sie befreit gerade eine von rund 600 Urnen vom Erdreich.


Funde und Befunde aus dem Tagebau Hambach

Die römerzeitliche Villa von Giesendorf-Berrendorf im Stadtgebiet Elsdorf bestand aus einem Hauptgebäude mit Eckrisalit und vier Nebengebäuden mit Steinfundamenten. Der Beginn dieser römischen Ansiedlung liegt noch im 1. Jahrhundert und reicht bis in das späte 4. oder die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts.

Unter den Funden aus den Brunnen der Villa ist eine außergewöhnliche Jupiterstatue mit dem schönen Jüngling Ganymed. Es war das Glanzstück des Tages der Archäologie 2016. Die Jupiterstatue war auch als Fund des Monats Juli 2017 im LandesMuseum Bonn zu sehen. > mehr

Fotos vom Tag der Archäologie 2016


Bei genauerer Untersuchung des Brunneninhalts wurden jetzt kleine Reste hölzerner Schreibtäfelchen entdeckt. Passend dazu konnten nach erfolgter Restaurierung erstmals vergleichbare Schreibtäfelchen aus Buchenholz präsentiert werden, die aus einem weiteren römischen Brunnen im Tagebau Hambach stammen. Die Schreibtafeln hatten eine dünne Wachsschicht, die nach Wegwischen vielfach neu beschrieben werden konnte. Ihr Fund beweist eine antike Alphabetisierung auch im ländlichen Bereich.

Spektakulär ist auch ein weiteres Grab: Es beinhaltet zwar das übliche für das Jenseits bestimmte Trink- und Essgeschirr des 2./3. Jahrhunderts. Absolut außergewöhnlich ist jedoch der Stempel eines Augenarztes. Sein Name: Quintus Cop(onius?) Cosmus. Laut dem Stempel heilte er beispielsweise mit wohlriechendem Safran eine leichte bakterielle Augenentzündung. An vier Seiten sind Medikationen in den Stempel eingeritzt, um Mediziner und Apotheker die Arbeit zu vereinfachen.


Haus Palant/Paland bei Borschemich

Vor Kurzem musste - nach Haus Pesch im Jahr 2010 - schon das zweite Rittergut auf Erkelenzer Stadtgebiet dem Tagebau Garzweiler weichen: Haus Paland zu Borschemich. Unmittelbar nach Abbruch des Herrenhauses Ende 2015 startete die Außenstelle der LVR-Bodendenkmalpflege in Titz eine einjährige Ausgrabung um die Baugeschichte der Anlage zu erforschen.

Die Anfänge von Haus Paland sind mit dem seit dem 12. Jh. urkundlich bezeugten Rittergeschlecht derer von Birsmich (Borschemich) in Verbindung zu bringen. Haus Paland ist also mit dem 1296(?), 1391 und 1420 in Urkunden erwähnten "Haus Birsmich" gleichzusetzen. Nach dem Aussterben des Adelsgeschlechtes um 1400 und mehreren Besitzerwechseln gelangte es im 16. Jh. an die Familie Palant, deren Name schließlich auf das Anwesen überging. Nach weiteren Besitzerwechseln wurde es schließlich 1837 an die bürgerliche Familie Lörkens verkauft, deren Nachkommen bis 2015 dort lebten.


Fotos (2): Info-Tafel, LVR

Vor dem Abriss bestand Haus Paland aus einer geschlossenen dreiflügeligen Backsteinanlage bestehend aus zweigeschossigem Wohnhaus, Stall und Scheune. Das Wohngebäude wurde von einem geschweiften Treppengiebel und einem vorkragenden Eckturm betont. Die einstige Wasserburg war hingegen nur noch auf historischen Karten erkennbar. Auf dem Auszug aus der Tranchot-Karte von 1806/07 ist erkennbar, dass das Herrenhaus und die im 19. Jh. abgebrochene Vorburg auf zwei separaten Inseln lagen.


Durch die Grabungen ließen sich jetzt zwischen den Grundmauern des Herrenhauses der Grundriss einer Vorgängeranlage aus dem 14. Jh. in Form eines quadratischen Wohnturms sowie Brücken mit Torhäusern und Bebauung der Vorburg nachweisen.


Eine bedeutende Zäsur ist für 1586 urkundlich überliefert. In den Wirren des Truchsessischen Krieges wurde "Haus Birsmich" gleich zweimal überfallen, teilzerstört und geplündert - erst von spanischen, dann von kölnischen Truppen. Die erhebliche Tragweite dieses Ereignisses konnte nun durch die Ausgrabung vollauf bestätigt werden.

Dr. Alfred Schuler, wissenschaftlicher Referent und zuständig für den Tagebau Garzweiler,  erläuterte den aufmerksamen Besuchern die Funde, die in der Zerstörungsschicht von 1586 gefunden wurden.

Im Vordergrund: Das Schieferstück mit fünf eingeritzten Pentagrammen lag auf dem Boden eines unterirdischen Verbindungsganges. Wurde die unheilabwehrende okkultistische Symbolik hier in der Not des Überfalls von 1586 bemüht?

.

Der intakte Bartmannkrug aus der Zeit
um 1600 wurde ebenfalls in dem Verbindungsgang gefunden.

Wasserkrug aus einem der spätmittel-
alterlichen Brunnen von Haus Paland (13./14.Jh.)

Weitere Funde aus der Zerstörungsschicht von 1586:
Siegburger Steinzeug sowie ein Raerener Steinzeugkrug (16. Jh.)

Fragment eines Siegburger Trichterhalsbecher mit fein gestaltenenm Narrengesicht ("Eulenspiegel")

Ofenkacheln von Haus Palant:
Nischenrelief eines Kachelofens, 16. Jh. mit Darstellung des hl. Hubertus (um 1520/30) sowie eine spätgotische Leistenkachel

Raerener Steinzeugkrug mit 3 Wappen-
auflagen sowie der Jahresangabe 1583

Zwei Wasserpfeifchen, eines in Vogel- und eines in Narrengestalt, 16. Jh. (daneben ein Vergleichsstück aus dem 20. Jh. (Christuskind auf weißem Hahn), in rot: ein modernes Exemplar aus Kunststoff)

Tonkrüge aus Siegburger Steinzeug (sog. Schnellen) mit je drei feinen Reliefen.

Die linke Schnelle ist mit F(ranz) T(rac) signiert und zeigt zwei europäische Herrscher in Prunkrüstungen, u.a. den zeitgenösischen König Phillip II. von Spanien.
Die Schnelle in der Mitte ist mit LW signiert und trägt die Jahreszahl 1575 und drei Wappenfelder: zweimal das Reichswappen sowie das Wappen des zeitgenössischen Kölner Erzbischofs, Salentin von Isenburg (Amtszeit 1567-1577).

Die rechte Schnelle zeigt drei weibliche Heldinnen (Judit, Virginia, Veturia) und die Jahreszahl 1575.


Ein besonderer Einzelfund war eine runde Silberdose. Diese ist mittig geteilt, so dass sich die obere Hälfte als Deckel abnehmen lässt. Auf diesem ist das Wappen derer von Palant,  die Jahreszahl 1573 sowie eine Umschrift mit Lebensmotto in französicher Sprache sowie der Name des Besitzers eingraviert: "REPOS - NE - CHERCHE - ICI (Ruhe nicht, suche hier") - SWAEN - DE - PALLANT"
Das Döschen dürfte Eigentum des Franz Diederich von Palant zu Breitenbend (1530–1600) gewesen und vermutlich an dessen Sohn Christoph vererbt worden sein. Dieser heiratete 1584 auf Haus Palant ein und lebte somit zum Zeitpunkt der Zerstörung seit zwei Jahren dort lebte.

Wie auf dem Foto unten erkennbar ist, hatte der Graveur offensichtlich orthografische Schwierigkeiten, so dass das dritte Wort des Lebensmottos (CHERCHE) mehrfach korrigiert werden musste.


Vorstellung von Forschungsprojekten der Archäologie-Stiftung:


Absolventen, die ihre Abschlussarbeiten mit einem Stipendium der Archäologie-Stiftung erstellten, präsentierten ihre aktuellen Promotions- und Masterarbeiten – mit Themen von der ältesten Steinzeit bis zur Frühen Neuzeit.

Beispielhaft sei hier eine Studie „Anthropologische und genetische Untersuchung einer Stichprobe von 30 männlichen, adulten Individuen aus Alt-Inden“ genannt, die im Rahmen einer Masterarbeit an der Universtät Tübingen durchgeführt wurde. Die Untersuchung von Laura Lacher wurde durch ein Stipendium der Stiftung zur Förderung der Archäologie im Braunkohlenrevier (Antrag Nr. 295) gefördert.


Handwerk und Bauernleben in der Hofanlage aus der Eisenzeit

Die im Rheinland einzigartige eisenzeitliche Hofanlage mit den markanten strohgedeckten Häusern im Freigelände der Außenstelle Titz wurde durch Vorführungen für Groß und Klein belebt. Hier konnte man alte Handwerkstechniken und das Leben auf einem Bauernhof rund 800 bis 500 Jahre v. Chr. nachempfinden.

Beispielhaft sei hier die Arbeit des Schmiedes vorgestellt.

Eine ausführliche Darstellung können Sie in den Fotoberichten der vergangenen Jahre lesen.


.. and last but not least: die kulinarischen Genüsse

Im Gedenkjahr der Reformation gab es „Olla Potrida“ (Mächtiger Topf). Es sei Martin Luthers „heimliche Leibspeise“ gewesen, wie der LVR verrät. Es handelt sich hierbei um einen deftigen Eintopf mit viererlei Fleisch, Sellerie, Möhren, gelben Erbsen, Weißkohl und Gewürzen, den die Mitarbeiter des Denkmalamtes nach einem Rezept aus dem 16. Jahrhundert zubereiteten.

Quellen:

  • Pressemitteilungen des LVR-ABR vom 20. Juni 2017:

"2500 Jahre alter Schmuck – Augenärzte im römischen Rheinland – Archäologie und Ausgrabung an der Abbaukante"

sowie die vor Ort gezeigten Infotafeln der Außenstelle Titz des LVR-ABR:

  • "Elf Brunnen aus Borschemich", Josef und Denis Franzen

  • "Ausgrabung von Haus Palant in Borschemich"

  • "Bedeutendes früheisenzeitliches Gräberfeld bei Inden entdeckt"

  • "Brunnenfunde beweisen Schreibkenntnisse zur Römerzeit auch im ländlichen Raum"

sowie Handreichungen zu Promotions- und Dissertationsvorhaben:

  • "Das Rittergut Haus Pesch. Studien zur Repräsentations- und Alltagskultur des rheinischen Niederadels im 15. und 16. Jahrhundert", Mitja Herlemann M.A., Universität Bonn

  • „Anthropologische und genetische Untersuchung einer Stichprobe von 30 männlichen, adulten Individuen aus Alt-Inden“, Laura Lacher, Universtät Tübingen

  • "Das Gräberfeld von Geuenich. Entdeckungen im Vorfeld des Braunkohlentagebaus Inden", Sandra Bresselau von Bressensdorf, Ludwig-Maximilians-Universität München

  • "Archäozoologische Untersuchung von faunistischen Material von Haus Pesch", Nathalie Mayer M.A., Universität Bonn

  • "Siedlungsdynamische Prozesse der frühen Metallzeiten im Tagebau Inden", Sandra Peternek, Ruhr Universität Bochum


Fotos, falls nicht anders angegeben: Hermann-Josef Heinen

Historischer Verein Wegberg e.V. - 20.06.2017 - letzte Änderung: 13.08.2017

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